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Marc Jongen, ESN Fraktion

Gefangen im Netz gegenseitiger Rücksichtnahmen

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Gefangen im Netz gegenseitiger Rücksichtnahmen

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Das in der vergangenen Woche in Warschau gegründete Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine gegen die Interessen der Vertriebenen gerichtete Institution. Alleine der Verzicht auf das Wort „Vertreibung“ im Namen zeigt die wahre Intention auf. Durch den Sitz des Sekretariats in Warschau ist zudem eine unvoreingenommene Aufarbeitung des Themas Vertreibung unwahrscheinlich. Bestätigt wurden diese Befürchtungen durch den polnischen Außenminister Adam Rotfeld. Er sagte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Deshalb müssen wir die Erinnerung an die Ursachen des Krieges bewahren, sonst heißt es in einer Generation oder zweien in Deutschland, der Gebietsverlust und die Vertreibung vieler Millionen Deutscher sei eine Ungerechtigkeit gewesen.“ Rotfeld meinte weiter, bei den Deutschen würde sich jetzt die Meinung durchsetzen, die Zeit sei reif, auch über die gegen Deutsche gerichteten Untaten zu sprechen. „All das muß diskutiert werden – aber im Zusammenhang des ganzen Bildes.“ Und darunter versteht er, daß die Vertreibung letztendlich die – verständliche – Folge des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkriegs gewesen sei. Diese Äußerungen lassen erahnen, was von dem Netzwerk zu erwarten ist, zumal auch Deutschlands Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos), die zu den Initiatoren des Projektes zählt, klar zu erkennen gegeben hat, daß es ganz bewußt als Gegenstück zu dem in Deutschland geplanten Zentrum gegen Vertreibungen gedacht ist. Dieses wurde von der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), und dem SPD-Politiker Peter Glotz ins Leben gerufen und soll vor allem die Vertreibung von Millionen Deutschen aus Polen und der damaligen Tschechoslowakei dokumentieren. Daß dies keineswegs Aufgabe des jetzt gegründeten Netzwerkes sein soll, zeigt auch die Weigerung der tschechischen Regierung, sich hieran zu beteiligen. Alleine dadurch ist eine Aufarbeitung und ein Erinnern an die Vertreibung von rund drei Millionen Deutschen aus dem Land unmöglich. Wie wenig das von tschechischen Politikern gewünscht ist, zeigen die Äußerungen der Direktorin der Abteilung für Auswärtige Beziehungen im Prager Kultusministerium, Jaromira Mizerova: „Warum sollte sich das Projekt auf Mitteleuropa beschränken? Der Zweite Weltkrieg hat doch die ganze Welt erfaßt. Und warum sollten wir gerade hier irgendwelche Museen institutionalisieren und Geld dafür ausgeben, das wir für andere Kulturprojekte benötigen?“ Am deutlichsten wird die Einstellung der Tschechei aber dadurch, daß vor dem Prager Caminpalais, dem Sitz des Außenamts, kürzlich der Grundstein für ein Denkmal des Nachkriegspräsidenten Edvard Benes gelegt wurde, der für die Vertreibung der Deutschen maßgeblich verantwortlich war. Aus deutscher Sicht könnte man daher eigentlich froh sein, daß Weiss auf Intervention des Auswärtigen Amtes zunächst nur eine Absichtserklärung für das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität unterschrieben hat. Ursprünglich war übrigens der Name „Europäische Netzwerk gegen Zwangsmigration und Vertreibung“ vorgesehen – auf polnischen Druck hin wurde er schließlich geändert. Es bleibt abzuwarten, ob sich Steinbach und Glotz angesichts der immer massiver werdenden Widerstände gegen ein nationales Vertreibungsprojekt nicht doch beeinflussen lassen oder ob sie an ihren Plänen festhalten. Ansonsten bestünde die Gefahr, daß der millionenfache Tod deutscher Flüchtlinge auch weiterhin nur ein kleines, vernachlässigtes Randstück in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs bleiben wird.

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