Anzeige
Anzeige

„Dies ist eine schwere Diskriminierung“

„Dies ist eine schwere Diskriminierung“

„Dies ist eine schwere Diskriminierung“

 

„Dies ist eine schwere Diskriminierung“

Anzeige

Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Der Islam ist derzeit die drittstärkste Religionsgemeinschaft in Großbritannien – und die am schnellsten wachsende. Vielleicht hat dies auch eine Rolle gespielt, als vorige Woche Israel in der Meinungsschlacht um England den Palästinensern nahestehenden Kreisen eindeutig unterlag. Denn am 21. Juni rief die größte britische Gewerkschaft, die Unison (die 1,3 Millionen öffentlich Beschäftigte vertritt), zu einem „wirtschaftlichen, kulturellen, akademischen und sportlichen Boykott“ gegen Israel auf. Am 30. Mai hatte die Delegierten der britischen Hochschullehrergewerkschaft University and College Union (UCU) bereits einen ähnlichen Beschluß gefaßt. Die UCU rief ihre etwa 120.000 Mitglieder dazu auf, die Kontakte zu israelischen Akademikern zu „überdenken“. Man wolle dazu „als Information und für die Diskussion“ den Text eines entsprechenden palästinensischen Boykottaufrufes an alle UCU-Unterorganisationen senden. Vergleichbares war bislang nur aus der arabisch-islamischen Welt oder zu Zeiten des Kalten Krieges bekannt – aber nun ausgerechnet aus Großbritannien? Die jüngsten Reaktionen in Israel fielen eher zurückhaltend aus. Offer Ejni, Chef der mächtigen israelischen New-Histadrut-Gewerkschaft, erklärte „daß diese Entscheidung zwar schwer wiegt, aber wesentlich weicher ausfällt, als von Unison vor drei Wochen anvisiert“. Der neue Aufruf komme eher einer Deklaration gleich. Er beinhalte nicht die anfangs erwarteten scharfen Maßnahmen gegen Israel. In der Urfassung riefen die Unison-Initiatoren zu einem Bann gegen alle im Vereinigten Königreich agierenden israelischen Firmen auf – einschließlich aller britischen, die mit Israel Handel treiben. Sogar die britischen Pensionsfonds sollten dazu animiert werden, ihre Investitionen umzuschichten. Im Vorfeld der Resolution hatte Ejni seinem britischen Amtskollegen einen Brief gesendet, in dem es hieß: „Obwohl Israel seine Okkupation im Gaza-Streifen beendet hat, entschieden sich die Palästinenser dennoch für Gewalt und Blutvergießen.“ Die akademische Boykottankündigung, die mit 158 zu 99 Stimmen auf einem UCU-Kongreß als „Antwort auf die 40jährige Besatzung“ der palästinensischen Gebiete beschlossen wurde, hatte ein wesentlich größeres Medienecho ausgelöst. Zwar wurde der Aufruf zwei Wochen später schließlich für nichtig erklärt, doch dieser angedrohte Boykott wurde nicht als „britisch skurril“ abgetan. „Für Freudenfeste ist es noch zu früh. Die Aufhebung weist auf keinen Richtungswechsel im Verhältnis zu Israel hin. Auch führen diese andauernden Boykottaufrufe zu einer gefährlichen Delegitimation Israels und des Zionismus“, erklärte damals der sozialdemokratische Knesset-Abgeordnete und Rabbiner Michael Malchior. „Es handelt sich um einen rein antisemitischen Beschluß“ Initiator des Ganzen ist Tom Hickey, Philosoph an der Uni Brighton und engagierter linker Israel-Kritiker. Er erhoffe sich daraus, daß britische Akademiker nun nicht mehr zu wissenschaftlichen Konferenzen nach Israel reisen und israelische Wissenschaftler von gemeinsamen Publikationen ausgeschlossen werden. Bindend sei der Aufruf zwar nicht, aber sein Symbolcharakter sei enorm, erklärte Hickey. Besonders makaber ist der Umstand, daß die britischen Wissenschaftler damit gerade diejenigen auf die „Schwarze Liste“ setzen wollten, die größtenteils bereits selbst seit Jahren die lautesten Kritiker der israelischen Palästinenserpolitik sind – vom Angriff auf die akademische Freiheit ganz zu schweigen. Kurz nach dem UCU-Beschluß besuchte der britische Staatssekretär im Bildungsministerium, Bill Rammell, Israel. Er versuchte die Wogen zu glätten, indem er beteuerte, daß die Wissenschaft ein „wichtiger Teil des Friedensprozesses“ sei. Jossi Jeschurun, Ex-Dekan des Fachbereichs Physik an der Bar-Ilan-Universität, begrüßte die nachträgliche Aufhebung des Boykotts, denn solch „ein negativer Schritt verbrennt bereits gebaute Brücken, anstatt neue zu bauen“. Sein Kollege Schlomo Grossmann hatte zuvor die Meinung der israelischen Wissenschaftler auf den Punkt gebracht: „Dies ist eine schwere Diskriminierung Israels.“ Die israelische Regierung hielt sich öffentlich auffällig zurück. Der Minister für Wissenschaft, Kultur und Sport, Raleb Madschadla (ein Araber), meinte nur, daß „solch ein Schritt der britischen Gesellschaft nicht zu Gesicht steht“. Im Parlament waren hingegen schärfere Stimmen zu hören. „Hierbei handelt es sich um einen reinen antisemitischen Beschluß. Ich rate Großbritannien dringend, die eigenen Schritte gegen Nord-irland zu betrachten. Der Staat Israel hat nicht mal im entferntesten dieselben Methoden angewandt“, meinte Swulun Orlew von der rechten nationalreligiösen Partei. Jenseits der Schlagzeilen gibt es schon seit einiger Zeit einen „stillen Boykott“. Denn bereits vor der Abstimmung des Akademikerbundes berichtete die Ha’aretz von einem Vorfall, in dem ein britisches Wissenschaftsmagazin explizit darauf hinwies, keine Aufsätze von Akademiker entgegenzunehmen, die an israelischen Universitäten lehren. CUCU im Internet: www.ucu.org.uk , Unison im Internet: www.unison.org.uk , Foto: Tom Hickey: Symbolcharakter

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.