Mit gemischten Gefühlen nach dem Getöse schon zehn Jahre zuvor (Gästeliste, welcher Soldatenfriedhof besucht werden darf, welcher nicht) erinnert man sich des neuerlichen geschichtspolitischen Mediengewitters und mancher theatralischen Inszenierung anläßlich der 60. Wiederkehr des „D-Day 1944“, der alliierten Landung in der Normandie. Diese wohl größte triphibische Operation der Militärgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, gemeinhin als Errichtung der „zweiten Front“ in Europa gedeutet – obwohl von Nordafrika aus in Richtung auf Italien bereits seit Juli 1943 nennenswerte Kampfhandlungen begonnen hatten -, hat zweifellos schon mythischen Rang, der von den überlegenen Siegern mit Recht genährt wird. Daher werden etwa britische Überlegungen vor Inkraftsetzung von „Over-lord“ allenfalls noch in Fußnoten kontrafaktisch diskutiert, ob angesichts möglicherweise zu erwartender hoher Verluste beim Angriff auf den „Atlantikwall“ nicht der massierte und auch logistisch zu bewältigende Einsatz im Mittelmeer-Raum gegen die Achsenmächte hinreiche, um den Krieg zu entscheiden. Längst hat sich die offizielle Geschichts-„Deutung“ des auf die Dauer so asymmetrischen Kampfes Goliaths gegen David bemächtigt, und die politische Instrumentalisierung trieb im Jahre 2004 seltsame Blüten, ähnlich wie bei den Gedenkfeiern zur Erinnerung an den 8. Mai 1945 im Jahr darauf. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ging sogar so weit, die erbitterten Kämpfe seit dem 6. Juni 1944 als einen „Sieg für Deutschland“ umzudeuten – nichts lag den alliierten Truppen damals ferner als dieses nachträglich mühsam konstruierte Kriegsziel. Daher ist es erfreulich, daß sich der profunde Kenner der Schlacht um Verdun im Ersten Weltkrieg, Horst Rohde, fern jedem Pathos, in einer minutiösen Darstellung den dramatischen Vorgängen in der Normandie 1944, die beiden Seiten gerecht wird, gewidmet hat – auch wenn General de Gaulle den Untertitel „Die Invasion“ mit Verärgerung gelesen hätte. In genauer Ortskenntnis und souveräner Beherrschung der kaum noch zu übersehenden Literatur werden die Vorgeschichte vor allem auf deutscher Seite und die Vorbereitungen der Alliierten beschrieben, wobei der Verfasser die ganz unzulängliche, auf Friktionen geradezu angelegte deutsche Führungsstruktur besonders berücksichtigt. Der aufmerksame Leser und spätere Nutzer dieses „Reiseführers“ dann an Ort und Stelle wird gleichsam an die Hand genommen und für seine Erkundungen mit allen erdenklichen und notwendigen, auch aktuellen Informationen ausgestattet. Nur schade, daß die Erinnerungen eines hochrangigen Beteiligten auf deutscher Seite in den Literaturhinweis nicht aufgenommen worden sind, Friedrich Ruge: Rommel und die Invasion (Stuttgart 1959). Die sachlich-spröden Aufzeichnungen des Admirals, er war Marinesachverständiger in Rommels Stab, haben nicht nur dokumentarischen Wert, sondern vermitteln auch viel Atmosphäre dieser letztlich entscheidenden Monate des Anfangs vom Ende des Krieges in Europa. Dr. Georg Meyer arbeitete als Historiker beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA). 2001 veröffentlichte er eine Biographie von Adolf Heusinger. Horst Rohde: Normandie 1944. Die Invasion. Hrsg. Horst Rohde und Robert Ostrovsky, Militärgeschichtlicher Reiseführer). Verlag Mittler & Sohn, Hamburg 2005, broschiert, 200 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro
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