Geht es nach dem Willen der sozialistischen Opposition in Paris, so könnte es in Frankreich schon bald Neuwahlen geben. Premierminister Dominique de Villepin steht in der „Clearstream“-Affäre immer stärker unter Druck. Er soll Anfang 2004 wegen eines vagen Korruptionsverdachts eine geheime Untersuchung gegen seinen innerparteilichen Rivalen, den UMP-Chef und jetzigen Innenminister Nicolas Sarkozy, angeordnet haben. Doch Sarkozy hatte offensichtlich kein Schwarzgeldkonto beim Luxemburger Finanzdienstleister Clearstream. Auch François Bayrou, Chef der christlich-liberalen Partei UDF, hat sich dem Mißtrauensvotum der oppositionellen Sozialisten gegen Premierminister Dominique de Villepin angeschlossen – was mit der UMP-Mehrheit zurückgewiesen wurde. Ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl, bei der sich Villepin als Günstling von Präsident Jacques Chirac bis vor kurzem doch Chancen ausgerechnet hatte, muß er seine Hoffnungen nun wohl begraben. Vermutlich wird dann Sarkozy ins Rennen gegen die Spitzenfrau der Sozialisten, Ségolène Royal, einsteigen, deren Umfragewerte die Bürgerlichen das Fürchten lehren. Zugleich richten sich erneut die Blicke auf Jean-Marie Le Pen, den alternden Chef des rechtsgerichteten Front National (FN), der bei der Präsidentschaftswahl 2002 in die zweite Runde einziehen und dabei 5,5 Millionen Stimmen auf sich vereinen konnte. Vergangene Woche wurde Le Pen von einem Gericht in zweiter Instanz rechtskräftig wegen „Aufstachelung zum Rassenhaß“ verurteilt. Er hatte in einem Interview mit Le Monde 2003 gewarnt, in nicht allzu ferner Zukunft würden in einem Frankreich „mit 25 Millionen Muslimen“ die verbliebenen Franzosen nur noch „gesenkten Hauptes“ durch die Straßen gehen können. Wegen dieser Aussage muß Le Pen nun eine Geldstrafe von 10.000 Euro zahlen. Angesichts der demographischen Dynamik ist die Vorhersage eines dramatischen Wachstums der muslimischen Bevölkerung realistisch. Bislang leben offiziell rund fünf Millionen, nach anderen Schätzungen aber sechs bis acht Millionen Muslime in Frankreich, vor allem Zuwanderer aus Nord- und Schwarzafrika sowie Arabien und deren Nachkommen. Angst vor Überfremdung und Islamisierung Dies entspricht einem Anteil von etwa 13 Prozent an der französischen Bevölkerung. Allerdings haben die Muslime – nicht zuletzt dank der üppigen staatlichen Kinderzuschüsse – eine fast dreimal so hohe Geburtenrate wie die autochthonen Franzosen. Setzt sich dieser Trend fort, so ist in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine islamischen Mehrheit in Frankreich realistisch. Die Gefahr der Überfremdung und Islamisierung bewegt immer mehr Bürger, obwohl die etablierten Parteien in dieser Frage beschwichtigen. Le Pens Verurteilung wird ihm daher eher neue Sympathien einbringen. Eine Umfrage ergab kürzlich einen Zustimmungswert von 25 Prozent für den Chef des FN – so hoch wie schon seit Jahren nicht mehr. Und mehr als ein Drittel der Franzosen sieht laut einer anderen Erhebung die „extreme Rechte“ als eine Bereicherung für die politische Debatte. Allerdings gab es immer wieder auch Irritationen um den Kurs Le Pens, da dieser zuweilen widersprüchliche Signale aussendet. Zur Islamisierung meint er denn jüngst, diese sei „keine wirkliche Gefahr“. Zu den Vorstadtunruhen schwieg er verdächtig lange. Einige Beobachter glauben daher, der FN-Chef wolle eine Querfrontstrategie mit amerika- und israelkritischen Muslimen erproben. Dies könnte die Partei, unter deren rund 70.000 Mitgliedern sich eine starke katholische Fraktion befindet, zu einer Spaltung bringen. Im Kampf gegen Überfremdung und Islamisierung versucht sich denn auch Le Pens rechtsnationaler Konkurrent Philippe de Villiers, Gründer der katholisch geprägten Bewegung für Frankreich (MPF), zu profilieren. Zwar sind einige ehemalige FN-Politiker, so der Bürgermeister des südfranzösischen Orange, Jacques Bompard, zum MPF übergetreten, noch scheint Le Pen aber in den Augen der meisten Wähler das rechte „Original“.