Eva (Malgosia Bela) arbeitet in einem unbefriedigenden Fabrik-Job. Ihre Mutter verschließt sich gegenüber allem Unangenehmen. Ihr Vater, bei dem sie sich ausgesprochen geborgen fühlt, verliert langsam das Gedächtnis. Eva ist außerdem schwanger, von einem Mann, der keine Rolle mehr in ihrem Leben spielt. Sie möchte abtreiben und beschafft sich mühsam das Geld für einen illegalen Eingriff. Doch das Ersparte wird ihr im Bus auf dem Weg zum Arzt von einem Junkie gestohlen. Im Krankenhaus dann hört die junge Frau zufällig, wie einer anderen Schwangeren erklärt wird, daß ihr Kind sie bereits hören könnte. Fortan gelangt Eva zu einer anderen Wahrnehmung des Lebens. Sie beginnt ganz langsam, dem Ungeborenen in ihrem Bauch die Welt zu erklären. Sie beschreibt ihre Umgebung, redet von der Liebe und ihren Ängsten. Auch für sie selbst entsteht so das Dasein noch einmal ganz neu. Diese schöne Idee verarbeitet die polnische Regisseurin Malgosia Szumowska zu einem stimmungsvollen, aber inhaltlich unbefriedigenden Film. Sie verlautbart über ihren Streifen: „‚Leben in mir‘ handelt von der Geschichte einer jungen Frau, die sich vor eine fundamentale Entscheidung gestellt sieht: Mutterschaft oder Abtreibung. Plötzlich hat sie nicht nur ihr eigenes Leben in die richtigen Bahnen zu bringen, sie muß auch über dieses neue Leben entscheiden, das in ihr wächst.“ Szumowskas Streifen schwelgt in wunderschönen Bildern, gelungenen Kameraeinstellungen und Schnitten. Auch das Mannequin Malgosia Bela in der Hauptrolle vermittelt der werdenden Mutter durch ihr markantes Gesicht, stets schwankend zwischen Leid und Freude, eine psychologisch interessante Note. Allerdings neigt die Regisseurin dazu, die stringente, saubere Erzählebene zugunsten des rein gefühlvollen Bilderreigens zu vernachlässigen. Weshalb Eva zum Beispiel die Freundschaft des drogensüchtigen Michal (Marcin Brzozowski) sucht, der sie zuvor im Bus ausgeraubt hat, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Ebensowenig, weshalb Michal sich von der werdenden Mutter mitreißen läßt, sie in seltsame Underground-Clubs mitnimmt, mit ihr joggt. Ja, überhaupt ist dieser angeblich so harte Drogenkurier bloß als sensibler, geistreicher Milchbubi konzipiert. Hier stimmt etwas nicht, und wahrscheinlich nur, weil dies besser zur sensiblen Inszenierung passen sollte als die Lebenwirklichkeit. Auf einem Bein kann man nicht stehen. So entwickelt Eva auch noch eine Freundschaft zu der junge Straßennutte Ivona (Barbara Kurzaj). Diese wiederum träumt eigentlich von der kleinbürgerlichen Idylle -Heirat und Häuschen mit Gartenzaun. Und ebenfalls viel zu blumig für ihre Figur schildert sie ihre Liebe zum Leben. Ein Junkie, der sein Glück im Kornfeld zu finden glaubt? Eine seltsam eskalierende Hochzeitsfeier, mit einem Bräutigam, der sich ersäufen will, und Gästen, denen alles egal ist? Der senile Vater als Superstar einer Fernsehquizshow? Letztlich darf man diese Szenen des Films nur als Traumsequenzen betrachten. Nur so funktioniert „Leben in mir“ auch. Man muß den Streifen als symbolistisches Werk interpretieren. Würde man die Geschichte als Abfolge realer Geschehnisse verstehen, wäre man durchweg unbefriedigt vom Gezeigten, das sich nur wenig in eine lineare Erzählung einpaßt. So bleibt eine recht surreal anmutende Hymne an das Leben. Foto: Junkie Michal (M. Brzozwski), schwangere Eva (M. Bela)