Er habe gleich gemerkt, daß sie die richtige Mutter für seine Kinder sei, antwortete 1930 ein junger Reichswehroffizier auf die Frage der 17jährigen Nina (Elisabeth Magdalena) von Lerchenfeld (geboren am 27. August 1913), warum er sie heiraten wolle. Wie andere Offiziere des Bamberger Reiterregiments verkehrt der sich so zielstrebig äußernde Leutnant Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Stadthaus des Vaters der jungen Adligen, eines ehemaligen königlich-bayerischen Kämmerers und Generalkonsuls. Drei Jahre später, im September 1933, werden der katholische Graf und die evangelische Freiin in der Jakobskirche zu Bamberg getraut. Das Leben als Offiziersfrau bringt häufige Wohnortswechsel mit sich, später – nach Kriegsbeginn – kommt die lange Abwesenheit des Mannes hinzu, der in der Wehrmacht rasch Karriere macht. Vier Kinder werden den Stauffenbergs zwischen 1934 und 1940 geboren, die Söhne Berthold, Heimeran und Franz Ludwig sowie die Tochter Valerie. Am Karfreitag 1943 sieht Nina von Stauffenberg nach langer Zeit ihren Mann wieder – im Münchener Lazarett. Der Oberstleutnant war in Tunesien durch einen amerikanischen Fliegerangriff schwer verwundet worden, ihm mußten der rechte Arm und zwei Finger der linken Hand amputiert werden, außerdem hatte er sein linkes Auge verloren. „Er ging bewußt den Weg eines Heldenlebens“ Später wird Nina von Stauffenberg über ihn rückblickend feststellen: „So pathetisch es klingt, er ging bewußt den Weg eines Heldenlebens.“ Damit spielte sie auf zweierlei an, den tapferen Offizier im Krieg und denjenigen, der aus der höchsten Pflichterfüllung heraus zum Attentäter wurde. In die konkreten Umsturz- und schließlich die Attentatspläne weihte der Generalstabsoffizier seine Frau zu ihrem Schutz nicht ein; wohl aber blieb ihr grundsätzlich das Vorhaben nicht verborgen, und sie kannte seit langem die führende Rolle ihres Mannes in der Verschwörung gegen das verbrecherische NS-Regime. Später gab ihr Sohn Berthold folgende Einschätzung: „Meine Mutter hat das genau gewußt. Nicht genau wann, weil sich das ja auch ständig änderte. Aber sie wußte, daß etwas passieren würde. Sie hat auch gesagt: Ihr müßt was tun. Das wäre ihr nie in den Sinn gekommen, schon weil sie einen für die heutige Generation vielleicht schwer verständlichen Glauben an meinen Vater und an ihren Mann hatte – da etwa zu jammern. Als sie uns gesagt hat, daß etwas passiert ist, da war sie nicht etwas fassungslos, sondern das war etwas, mit dem sie zu fünfzig Prozent gerechnet hatte.“ Eine konkretere Einweihung wäre auch schwierig gewesen, da Nina von Stauffenberg ihren Mann am 6. Juni 1944 zum letzten Mal sah. Die historische Forschung um den 20. Juli kritisch verfolgt Im Alter von dreißig Jahren wurde die – erneut schwangere – junge Mutter zur Witwe. Wie alle nahen Angehörigen des Attentäters kam Nina von Stauffenberg im Juli 1944 in Sippenhaft; zunächst brachten Beamte der Geheimen Staatspolizei sie ins Gefängnis nach Rottweil, später in die Haftanstalt am Alexanderplatz in Berlin. Ihre vier Kinder wurden nach Bad Sachsa im Harz verschleppt, von wo aus sie erst im Juni 1945 wieder an den Sitz der Familie in Lautlingen zurückkehrten konnten. Nach der Geburt des fünften Kindes – der Tochter Konstanze – im Januar 1945 wurde Nina von Stauffenberg ins Potsdamer Sankt-Josephs-Krankenhaus verlegt, wo sie bis April blieb. Nach Kriegsende kam sie zunächst nach Lautlingen, später ließ sie sich in ihrer Heimatstadt Bamberg nieder. Lange Zeit mußten die Hinterbliebenen der Verschwörer einen bitteren Kampf um Wiedergewinnung ihres von den Nationalsozialisten enteigneten Eigentums und die Versorgung der Halbwaisen führen. Mit vorbildlicher Haltung meisterte die Witwe Stauffenbergs diese entbehrungsreiche Zeit. Himmlers Drohung, die Familie Stauffenberg werde „ausgelöscht bis ins letzte Glied“, erfüllte sich glücklicherweise nicht. Auch die geplante Zwangsadoption der Kinder an „nationalsozialistische Familien“ wurde nur durch das Ende des Regimes im Zusammenbruch Deutschlands verhindert. Während sie Auftritte in den Historien-„Dokus“ à la Guido Knopp vermied und mit standesbewußter Noblesse jedem medialen Wirbel um ihre Person aus dem Wege ging, verfolgte sie die Ergebnisse der Forschung um den 20. Juli mit kritischer Aufmerksamkeit. Zahlreichen Autoren stellte sie ihr Wissen zur Verfügung; dem frühen Biographen Joachim Kamarz schrieb sie, häufig werde der Vorwurf erhoben, die Arbeiten über Protagonisten des Widerstandes unterschlügen das Negative. Sein Werk habe sie daher besonders kritisch gelesen und dabei festgestellt, daß „zwar das Negative fehlt, aber nur, weil es einfach nicht vorhanden war“. Über Eberhard Zellers „Geist der Freiheit“ schrieb sie in einem Geleitwort zur Neuauflage im Verlag JUNGE FREIHEIT, es „gehört zu den intelligentesten Werken über meinen Mann, aber auch zu den sympathischsten“. Daß vielen heutzutage der Zugang zu den Vorstellungen Claus von Stauffenbergs schwer fällt, mag an der in unserer politischen Kultur zur Voraussetzung erhobenen Gleichheit liegen. Die Auffassung des Widerständlers, einer zu besonderen Leistungen erzogenen und berufenen Führungsschicht anzugehören, steht dem diametral entgegen. Dieses Selbstbewußtsein faßte seine Frau so zusammen: „Er war sich in aller Bescheidenheit nüchtern darüber klar, außergewöhnlich, ja bedeutend zu sein.“ Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg ist am letzten Sonntag, den 2. April, im Alter von 92 Jahren im unterfränkischen Kirchlauter bei Bamberg verstorben. Foto: Hochzeit von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Ehefrau Nina, 1933 in Bamberg: Brutaler Sippenhaft ausgeliefert Foto: Nina Gräfin von Stauffenberg