Was da in China läuft, riecht schon nach Technologieklau“, meinte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Es wäre „geradezu ein Witz, wenn im Hightech-Land Deutschland die Erfindungen gemacht werden und in Fernost die Kohle“, so der CSU-Chef. Geklaut, abgekupfert, raubkopiert – mit solchen Vokabeln war so mancher schnell bei der Hand. Ob offen ausgesprochen oder vorerst mit Fragezeichen versehen, fällt dabei nicht so ins Gewicht. Aber es war die erste Reaktion auf eine Nachricht, die einschlug – jedenfalls für die breite Öffentlichkeit: China baut einen eigenen Transrapid. Von dort auch war die Botschaft gekommen. Die Chengdu Aircraft Industry Cooperation (CAC) mit Sitz im südwestchinesischen Chengdu hatte vergangene Woche bekanntgegeben, daß China eine eigene Magnetschwebebahn entwickelt. Deutscher Transrapid fährt seit 2003 in Schanghai Chinas Magnetbahn trägt den Namen Zhui Feng („Jagt den Wind“) und wird englisch CM1 Dolphin genannt. Nach CAC-Angaben ist der erste Test im Juli auf einer 1,7 Kilometer langen Versuchsstrecke der Tongji-Universität in Schanghai geplant. Besorgnisse, China könnte für diese Entwicklung urheberrechtlich geschützte deutsche Technik mißbräuchlich benutzt haben, wies CAC-Chefingenieur Zhen Qihui zurück. Die CAC-Gruppe ist einer der größten Luft- und Raumfahrtkonzerne in China, beschäftigt etwa 15.000 Mitarbeiter und beliefert vor allem das Militär. Intensive Bemühungen, ein Konkurrenzmodell zum Transrapid zu entwickeln, laufen dort seit 2003. Das Transrapid-Konsortium der deutschen Konzerne Thyssen-Krupp und Siemens gibt sich zurückhaltend, will sich weitere Aufträge nicht unnötig verderben. Es hat nach eigener Aussage bislang keine Kenntnisse von einer Patentverletzung. Der deutsche Transrapid fährt seit Anfang 2003 von Schanghai zum Flughafen Pudong. Aber wie man liest, soll die chinesische Versuchsstrecke mit ihrem Fahrweg und der Montagehalle dieser Transrapid-Strecke in allen Einzelheiten gleichen. Das gelte für die Betonkonstruktion ebenso wie für die Elektronik. Doch was immer es damit auf sich hat und wie gleich oder ungleich die beiden Bahnen später wirklich sind und ob Kritiker recht damit haben, das deutsche Konsortium habe seine Schwebebahntechnik unzulänglich vor Ideenklau geschützt – der Fall wirft ein exemplarisches Schlaglicht auf Chinas Umgang mit den ins Land geholten technischen Innovationen und ihren patentgeschützten Eigentumsrechten. China-Kundige sagen: „Wer in China Geschäfte macht, muß einkalkulieren, daß seine Produkte kopiert werden; die Behörden greifen nur selten ein.“ Solche Beschwerden sind lange bekannt: Chinesen kopieren westliche Markenprodukte und Technik, produzieren dann selbst und viel billiger, setzen anschließend damit die westlichen Unternehmen auf deren Heimatmärkten in Europa und Amerika unter Druck. Denn Arbeit in China kostet (noch) nicht viel, und mit den hohen Entwicklungskosten sind die Preise ebenfalls nicht belastet. Andererseits wollen oder können es sich die westlichen Firmen nicht leisten, China zu meiden; die Teilnahme am Boom der chinesischen Wirtschaft ist zu wichtig. Alle kennen die Praktiken in China, und trotzdem verlagern sie Betriebe und Wissen dorthin. Sie tun es, obwohl China ausländische Unternehmen gesetzlich zu einer chinesischen Beteiligung zwingt, besonders dann, wenn sie Spitzentechnik ins Land bringen. Anzunehmen, die aufgezwungenen chinesischen Geschäftspartner würden nicht mit offenen Augen und Ohren alles Neue aufsaugen und weiterreichen, ist ziemlich abwegig: Dieser Technologie-Transfer ist absichtsvolle Politik. Zwar gibt es in China, wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sagt, vernünftige Vorschriften – auf dem Papier; in der Realität könne sich eine Firma gegen Verletzungen ihres geistigen Eigentums nur begrenzt wehren. So beklagenswert diese Form des Technologie-Transfers ist, ob rechtswidrig vollzogen oder nur in den Grauzonen des Rechts, China ist weder das einzige noch das erste Land, das sich derlei Praktiken bedient. Auch Europa hat sich einst von den Chinesen die Porzellanherstellung abgeguckt – es liegt nur länger zurück, als es die Chinesen waren, die den Europäern einiges voraushatten. Nach 1945 sind die Japaner Meister im Kopieren gewesen – zum Beispiel bei den Fotoapparaten. Auch auf den deutschen ICE ist China scharf und hat bei Siemens sechzig Züge geordert, aber Siemens sie hauptsächlich dort bauen lassen. Denn China kauft nur einschließlich Technologietransfer und will zugleich seine vielen Menschen beschäftigt sehen. Der nächste chinesische „Kopierfall“ könnte der europäische Airbus werden. Für den europäischen Flugzeugbauer geht es um Chinas Großauftrag für 150 Stück des A 320, aber Airbus soll in China eine komplette A-320-Fertigung aufbauen. Eben darum muß sich der Konkurrent Boeing – auf Anordnung der US-Regierung – dieses China-Geschäft versagen. US-Abhörsystem Echelon nicht nur militärisch nutzbar Doch auch die USA sind alles andere als Musterknaben. Mit ihrem Abhörsystem Echelon überwachen sie nicht nur militärischen Informationsaustausch, sondern auch privaten, zeichnen Telefongespräche auf, fangen Fax-Briefe und ePost ab, belauschen, selektieren und werten aus. Sie betreiben Echelon mit verbündeten Staaten. Das System besteht seit 1947 und ist, wenngleich inzwischen EU-offiziell bestätigt, super-geheim. Damit läßt sich auch Wirtschaftsspionage betreiben, lassen sich Erfindungen sogar ohne Kauf klauen. Denn auch wichtige Industriedaten und Konstruktionspläne werden Tag für Tag elektronisch verschickt, per Mail und Telefon Preisgespräche geführt und Verträge besprochen. Beispiele solcher Echelon-Nutzung sind bekanntgeworden. Diese ganze Wirklichkeit in der globalisierten Welt des Technologie-Transfers hat ein Beobachter auf diesen gemeinsamen Nenner gebracht: „Ein bißchen Spionage, ein bißchen abkupfern, ein bißchen lizenzieren, ein bißchen Eigenentwicklung, und fertig ist ein absolut innovatives Produkt.“ Ohnehin verschwimmen die Grenzen zwischen der illegitimen und legitimen Aneignung dessen, was andere erforscht und technisch ausgetüftelt haben, durchaus. Denn diese anderen reichen ihr Wissen doch auch ganz offen und freiwillig weiter: Junge Chinesen zum Beispiel besuchen westliche Hochschulen, kehren mit dem dort erworbenen Wissen zurück und wenden es zu Hause an. Wer jetzt in Deutschland beim Transrapid beklagt, China entwinde der deutschen Industrie geistiges Eigentum an Forschung und Entwicklung, wer dies als Produktpiraterie geißelt und die deutsche Schwebebahn nun ausgerechnet im Hoffnungsmarkt China auf dem Abstellgleis landen sieht, vergißt dabei: In Deutschland wurde der kommerzielle Einsatz des Transrapid bisher verschmäht, die Strecke zum Münchner Flughafen ist frühestens 2010 fertig – nur China macht etwas daraus. Nicht anders wird es einem grün-bewegten Deutschland in der Gentechnik gehen. Auch mit der Ablehnung der Kernkraft tut es sich keinen Gefallen. Technikfeindlichkeit kommt teuer zu stehen. Chinesische CAC-Magnetbahn: Produktkopien mit einkalkulieren Foto: Picture Alliance / DPA
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