Mozarts zweiter Aufenthalt in Paris von März bis September 1778 erfüllt in mehrerer Hinsicht seine Erwartungen nicht. Zum ersten kann er, inzwischen 22jährig, nicht mehr an die Erfolge als Wunderkind anknüpfen. Der brandende Jubel, der ihm vierzehn Jahre davor bei seiner ersten Frankreich-Reise entgegenschlug, weicht einer eher kühlen Anteilnahme. Zwar gibt er zahlreiche Konzerte, auch entstehen mehrere Kompositionen für verschiedene Auftraggeber, unter anderem die beiden Flötenkonzerte und das Konzert für Flöte und Harfe. Doch fällt der finanzielle Erfolg schwach aus – die Besteller bezahlen die neuen Werke nicht. Mozart muß deshalb einige junge Adelige im Klavierspiel unterrichten, was ihm aber kein großes Vergnügen bereitet. Nur die freundschaftliche Begegnung mit dem Ballettmeister Jean Georges Noverre, den er noch aus Wien kannte und der mit Marie Antoinette nach Frankreich kam, ist ein Lichtblick in dieser eher trüben Zeit. Für ihn komponiert er die kleine Ballettmusik „Les petits riens“ zu deutsch „Die kleinen Nichtigkeiten“ (KV-Anh. 299). Aber auch diese Komposition wird für den Ballettmeister ohne Bezahlung geschrieben, da sich Mozart von der Vermittlung Noverres mit dem Direktor der Pariser Großen Oper Vismes einen Opernauftrag erwartet. „Les petits riens“ ist weniger ein Ballett mit einer dramatischen Handlung als vielmehr eine illustrierende Pantomime. Es wird am 11. Juni 1778 als Einlage zu einer Oper des heute längst vergessenen Niccolo Piccini gegeben. Auf dem Theaterzettel wurde Mozarts Name nicht genannt. Der Liebesgott Cupido erlaubt sich einen Streich, in dem er einen als Schäfer verkleidete Schäferin zwei anderen Schäferinnen zuführt. Die verlieben sich sogleich in den anmutigen Schäfer, und die Verkleidete muß am Schluß, wenn die Täuschung nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, ihre Brust entblößen. Die Pantomime enthält zwölf knappe tänzerische Stücke, Mozart selbst bezeichnete einige allerdings als nicht von ihm stammend – ohne dabei zu sagen, welche. Die „Nichtigkeiten“ sind von edler Melodik erfüllt. Eine überaus schwungvolle Miniatur-Ouvertüre beginnt den Reigen. Das Larghetto (der zweite Satz) und die Gavotte (der dritte), die bezaubernde Moll-Miniatur in Nr. 5 wie auch das Schluß-Andante spiegeln aufs schönste das „galante“ Zeitalter wieder. Bis 1890 blieb das Werk verschollen. Vorhandene Skizzen zu einer anderen Ballettmusik (KV 299c) beweisen, daß Mozart an einer längeren Zusammenarbeit mit Meister Noverre interessiert war. Karl Münchinger spielte 1956 mit dem Stuttgarter Kammerorchester eine vitale Interpretation bei Decca ein, aktuell ist innerhalb der Mozart-Gesamtausgabe bei Philips eine eher glatte Darstellung mit der Academy of St-Martin-in-the-Fields unter Neville Marriner erhältlich. Die Vorstellung ausgewählter Mozart-Werke wird sich dieses Jahr in unregelmäßigen Abständen in der JUNGEN FREIHEIT fortsetzen.
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