Das Werk Bernd Lemkes, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, behandelt den Aufbau der Luftschutzorganisation in Deutschland und Großbritannien zwischen den Weltkriegen im Vergleich. Verlief der Aufbau in beiden Ländern bis in die ersten dreißiger Jahre überwiegend nach rational-sachlichen Gesichtspunkten – wie bei den Briten bis 1939 -, so setzte sich nun in Deutschland der Einfluß der NS-Ideologie und die von ihr geprägte polykratische, charismatisch auf den Führer und viele kleine „Führer“ darunter bezogene Organisationsform durch, wobei hier der Dienst im Luftschutz mehr auf Zwang denn auf Freiwilligkeit – wie in Großbritannien – beruhte. Die jeweiligen Luftschutzorganisationen waren so auch Ausdruck von Diktatur oder autoritärem Staat einerseits und eines demokratischen Staatswesens andererseits. Das Buch schöpft ausgiebig aus den einschlägigen deutschen und britischen Akten und verdient nicht nur wegen der gründlichen, ins Einzelne gehenden Recherche Anerkennung, sondern auch weil es einen Sieg über die widrige persönliche Lage des Verfassers während seiner Entstehungszeit darstellt. Im großen und ganzen ist es eine Organisationsstudie vor dem damaligen unterschiedlichen politisch-sozialen Umfeld. Ein paar Organigramme und vor allem ein Sachindex hätten der besseren Übersichtlichkeit der Darstellung allerdings nicht geschadet. Selbst die Zusammenfassung ist mit vierzig Seiten nicht straff genug, um den faktischen Aufbau der beiderseitigen Luftschutzsysteme anschaulich vor Augen zu führen. Mußte denn unbedingt der manchmal zwar klärende, zuweilen aber auch komplizierende theoretische Wust der Max Weberschen Herrschaftstypen mitgeschleppt werden? Hätte man den Sachverhalt nicht auch mit einfachen Worten ausdrücken können? Dennoch: Das Buch füllt eine Lücke, weil der behandelte Gegenstand bisher kaum wissenschaftliches Interesse gefunden hat, und es ist eine Fundgrube für den thematisch Interessierten. Bernd Lemke: Luftschutz in Großbritannien und Deutschland 1923-1939. Zivile Kriegsvorbereitungen als Ausdruck der staats- und gesellschaftspolitischen Grundlagen von Demokratie und Diktatur. Oldenbourg Verlag München 2005, X und 524 Seiten, broschiert, 44,80 Euro
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