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Bis heute gilt nur ein Waffenstillstand

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Bis heute gilt nur ein Waffenstillstand

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Dem Rezensenten sei vorab eine persönliche Erinnerung gestattet: 1950 lebte ich als Dreizehnjähriger in der Nähe von Potsdam. West-Berlin war ohne Probleme erreichbar und wirkte mit seinen Informationsmöglichkeiten weit in die „Ostzone“ hinein. Die Absurditäten der Teilung waren allen bewußt. Da lud die Nachricht vom Bürgerkrieg im fernen Korea natürlich zu Vergleichen mit der Situation im eigenen Land ein. Konnte ähnliches auch hier geschehen? Ich war elektrisiert und verfolgte das Geschehen im Fernen Osten mit großer Spannung, wovon noch ein Tagebuch zeugt, in dem ich neben Badefreuden und Kinobesuchen die ständig wechselnde militärische Lage in Korea darstellte. Als Quellen dienten die Sendungen des RIAS sowie Ost- und Westzeitungen. Seitdem war mir die Geographie Koreas halbwegs vertraut, auch wenn ich das Land erst in den achtziger Jahren kennenlernte. Weitere 25 Jahre später legt nun der Innsbrucker Zeithistoriker Rolf Steininger erstmals in deutscher Sprache eine präzise Darstellung der damaligen kriegerischen Ereignisse mit ihren Millionenverlusten auf beiden Seiten, ihrer Vorgeschichte und ihren politischen Folgen vor. Ein interessanter Bildteil, gutes Kartenmaterial, Faksimiles von relevanten Urkunden, eine Zeittafel und umfangreiche Literaturhinweise einschließlich vieler Websites erleichtern die Lektüre und geben dem Buch zugleich den Charakter eines Nachschlagewerks. Zu beanstanden ist nur der irreführende Titel; denn „vergessen“ war dieser Krieg, wie Steininger selbst schreibt, allenfalls zeitweise in den USA und auch das nur im Vergleich mit dem stets präsenten Vietnamkrieg. In Korea ist der Krieg im Norden wie im Süden im Bewußtsein der Menschen alles andere als vergessen, schon weil er nie förmlich beendet wurde. 1953 kam nur ein Waffenstillstand zustande, der auch noch oft genug gebrochen wurde. Vor allem aber haben die blutigen Kampfhandlungen und Verbrechen – die Kriegsfurie tobte zwei- bis dreimal über das Land hinweg – kaum eine Familie verschont. Der Bürgerkrieg ist die Ursache für den blanken Haß, der noch heute das Verhältnis zwischen dem kommunistischen Norden und dem inzwischen wirklich demokratischen Süden bestimmt. Hier wird nichts vergessen! Aber auch in Deutschland ist der Koreakrieg mit seinen Folgen für das Ost-West-Verhältnis unvergessen, woran nun auch Steininger seinen Anteil hat. Bis heute behauptet das Regime in Nordkorea, es sei im Juni 1950 vom Süden überfallen worden, habe massiv zurückgeschlagen und die Angreifer in kurzer Zeit bis zum Kessel von Pusan im Süden Koreas zurückgedrängt. Diese Version galt in der westlichen Welt als unglaubwürdig. Daß sie nicht völlig ausgeschlossen wurde, lag am politischen Charakter der damaligen Herrscher in Südkorea. Die USA glaubten 1945, im Endkampf gegen Japan auf die Hilfe der bis dahin neutralen Sowjetunion nicht verzichten zu können. Auf der Konferenz von Jalta ließen sie sich von Stalin zusichern, spätestens drei Monate nach Kriegsende in Europa in den Krieg gegen Japan einzutreten. Präsident Roosevelt schlug für diesen Fall eine (gemeinsame) Treuhänderschaft für das an die Sowjetunion angrenzende Korea vor, das seit 1910 praktisch eine Kolonie Japans war. Nach dem Atombombenabwurf der Amerikaner auf Hiroshima trat die Sowjetunion zwei Tage später in den Krieg ein und marschierte in die Mandschurei und Korea ein. Als sich das Ende des Krieges abzeichnete, standen die Amerikaner vor der Frage, wer die japanischen Divisionen in Korea entwaffnen sollte. Angesichts ihrer geringen Truppenpräsenz schlugen sie in ihrer Not Stalin vor, seine Truppen sollten alle Japaner nördlich des 38. Breitengrades entwaffnen, während sie die Japaner südlich davon übernehmen wollten. Stalin stimmte sofort zu. Er betrachtete diese Verabredung als Abgrenzung von Einflußzonen, was die Amerikaner offenbar nicht bedacht hatten. Tatsächlich übernahmen nördlich des 38. Breitengrades sofort Kommunisten die Herrschaft, während im Süden Geschäftsleute und Großgrundbesitzer unter Führung des Politikers Syngman Rhee, der aus dem amerikanischen Exil heimgekehrt war, an die Macht kamen. Syngman Rhee war strikt antikommunistisch eingestellt, hielt folglich nichts von dem amerikanischen Treuhandplan, sondern agitierte für die sofortige Unabhängigkeit ganz Koreas. Unter seiner Führung entwickelte sich Südkorea zu einem korrupten autoritären Polizeistaat. Ihm war zuzutrauen, daß er den nicht minder aggressiven Norden angreifen würde. Seit wenigen Jahren wissen wir aus russischen Quellen, daß es tatsächlich Stalin war, der – allerdings auf Drängen seines Gefolgsmannes Kim Il Sung in Nordkorea – 1950 den Befehl zum Angriff auf den Süden gab, wobei er klug genug war, Mao Tse-tung, den Führer des kommunistischen Chinas, einzubinden, was diesen später veranlaßte, die Uno-Truppen unter Führung der Amerikaner mit Millionen „freiwilligen“ chinesischen Soldaten von der Nordgrenze Koreas wieder zurückzudrängen. Stalin hatte sich als der bessere Stratege erwiesen, indem er den Krieg, der die USA aus seiner Sicht so schön beschäftigte, noch zwei Jahre am Köcheln hielt, bis sein Tod im März 1953 weitere Einflußnahmen unterband. Nun erst kam der bis heute geltende Waffenstillstand zustande. Was Stalin allerdings nicht vorausgesehen hatte, war, daß „sein“ Krieg in Korea die westeuropäischen Staaten in ein antisowjetisches Bündnis unter amerikanischer Führung zwingen und vor allem den von ihm stets gefürchteten West-Deutschen die Wiederbewaffnung ermöglichen würde. Die DDR bot dafür keinen ausreichenden Ersatz und mußte schließlich von der Sowjetunion sogar aufgegeben werden, deren Untergang das jedoch auch nicht verhinderte. Nur Nordkorea existiert noch in der alten Form und bereitet weiter Probleme. Ob Rußland und China ihm nochmals zu Hilfe kommen werden? Steiningers Buch bietet eine gute Grundlage für die Beurteilung der weiteren Entwicklung. Rolf Steininger: Der vergessene Krieg. Korea 1950-1953. Olzog Verlag, München 2006, broschiert, 247 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro Foto: Verzweiflung inmitten des zerstörten Seoul: Die Kriegsfurie tobte dreimal über fast das ganze Land

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