Geschmäcklerische Ansprüche, die sich bislang am Angebot von World Serpent Distribution orientierten, befriedigt unterdessen nicht weniger ambitioniert das französische Label Cynfeirdd. Auch das Projekt Regard Extreme segelt nunmehr unter dieser Flagge. In jener deutschen Gemeinde, die ihr alljährliches Bayreuth zu Pfingsten in Leipzig findet und sich musikalisch zu einem Lebensgefühl inspirieren lassen möchte, das man wohl zuletzt im Fin de Siècle anzutreffen vermochte, verfügt es durch die Mitwirkung an der CD „Die weiße Rose“ über eine gewisse (und berechtigte) Reputation. Zu dieser Hommage an eine Jugendbewegung, deren Individualismus erdrosselt wurde und deren Träume spätestens im Weltkrieg zerbarsten, steuerte es orchestrale, getragene Kompositionen bei, die dem Hörer das Gefühl nahebrachten, ohnmächtig dem Fatum ausgeliefert zu sein. Solche Schicksalsklänge scheinen, dies zeigt die neue CD „Utopia“, weiterhin sein Metier zu sein, und sie entbehren auch dann nicht ihres Reizes, wenn ein historischer Hintergrund einmal nicht hinzugedacht werden kann. Wo In The Nursery Soundtracks imaginärer Filme bot, die sich bei allem wehmütigen Schmelz als unkomplizierte Hintergrundmusik konsumieren ließen, evoziert Regard Extreme Bilder der Erstarrung inmitten des gnadenlosen Weltenlaufes und fordert Aufmerksamkeit, eine Geduldprobe, die aber besteht, wer sich dem Diktat des Tempos zu entziehen weiß. Einen neuen Akzent in dem von manchen schon voreilig als ausgereizt gehandelten Neo-Folk-Genre setzt das flämische Duo Weihan, indem es sich auf seiner ebenfalls auf Cynfeirdd erschienenen CD „Galder“ der niederländischen Sprache bedient. Diese werden überwiegend als Rezitationen über einem in der Regel sparsamen, von Synthesizer und akustischer Gitarre geprägten Arrangement vernehmbar. Man stellt sich also nicht in die Tradition des wie auch immer modifizierten, potentiell mitsingbaren Volksliedes, sondern siedelt sich eher in Gefilden an, die für liturgisch gehalten werden könnten, zelebriert den in der Waldlichtungseinsamkeit am Lagerfeuer mit Stromanschluß kundgetanen Sinnspruch vor- oder jedenfalls nichtchristlicher Provenienz. Das auf Melodien nicht wirklich angewiesene, leise Töne anschlagende und sich beim mehr als bloß beiläufigen Hineinhören keineswegs an der Schwelle zur Monotonie bewegende musikalische Konzept findet man in dieser Strenge fast nur bei dem dänischen Projekt Of The Wand & The Moon realisiert – es erinnert darüber hinaus allenfalls von ferne an Scorpion Wind, ohne jedoch in jene diabolische Ironie zu verfallen, die die Projekte von Boyd Rice auszeichnen. „Omne Datum Optimum“ hieß die Bulle, mit der Papst Innozenz II. 1139 die Gründung des Templerordens bestätigte, und es ist zunächst einmal wenig originell, wenn Musiker heute meinen, unter ebendiesem Namen firmieren zu müssen – zu inflationär traten dazu in den vergangenen Jahren Projekte auf die Bildfläche, die so taten, als stellten sie sich in eine derartige, zudem noch in der Lesart Aleister Crowleys verstandene Tradition. In diesem Fall jedoch sollte man über seinen Schatten springen: Omne Datum Optimum erschöpft sich nicht in kryptischer Esoterik, sondern wartet auf der (ebenso von Cynfeirdd veröffentlichten) CD „Missa XXI“ mit einem sehr eigenwilligen und sehr hörenswerten Konzept auf: Ein alte Musik adaptierender, zum Teil lateinischer Gesang legt sich über einen wuchtigen, durch reichlich Trommelschlag getriebenen Klangteppich, flankiert von melancholischen Flöten- und Klaviermelodien. Das Minderheitenbedürfnis, für einen Augenblick der Zeitgenossenschaft entsagen zu dürfen, wird auf angenehme Weise gestillt.