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Das Schlaraffenland ist abgebrannt

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Das Schlaraffenland ist abgebrannt

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Cato, Palmer, Exklusiv

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat wie sein Vorgänger Helmut Kohl Sozialutopien genährt, die jeder realen Basis entbehrten. Jetzt drischt Schröder auf den Souverän, das deutsche Volk ein. Der sieht sich im wahrsten Sinn des Wortes im falschen Film. Schröders Vorwurf des Sozialmißbrauchs durch eine Mitnahme-Mentalität bis weit in die „Mittelschicht“ verwirrt ihn, wenn an die üppige Altersversorgung bei Berufspolitikern denkt. Es sind schlechte Gesetze, die staatliche Hilfen auch denen gewähren, die keine Hilfe benötigen. Wenn ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Sozialausgaben geht, ist etwas faul. Insbesondere dann, wenn es gerade die Mittelschicht ist, die über Steuern am stärksten zur Ader gelassen wird, damit die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und die Bürokratie der Arbeitslosenversicherung nicht ihren Geist aufgeben. Warum macht Schröder mit der Moralkeule einen Rundumschlag, ohne den Sozialstaat neu zu definieren und zu organisieren, ohne dem Volk mehr Eigenverantwortung zu geben und das Geld den Bürgern zu lassen, das bisher in den Sozialversicherungssickergruben verschwindet. Dazu bedarf es einer grundlegenden Änderung des Systems der sozialen Absicherung. Vorschläge dafür gibt es. Die Regierungskoalition hat dafür aber nur Häme übrig, da ihr der Mut fehlt, den Bürgern ehrlich zu sagen, daß der Sozialstaat alter Prägung nicht mehr finanzierbar ist. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, ist gefürchtet. Im Juli 2004 stellte er sich hinter den Vorschlag des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer um eine Woche zu kürzen. Er begründete diese Forderung damit, daß Deutschland mit bis zu 42 Urlaubs- und Feiertagen weltweit eine Spitzenposition einnimmt. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat diese Aussage bestätigt. Unter den Industrieländern liegt Deutschland bei der Länge der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit an drittletzter Stelle. Im Dezember 2003 meldete sich Rogowski zu den damals beschlossenen Reformkompromissen. Den Steuerzahlern würde 2005 und in den folgenden Jahren eine stattliche Steuererhöhung zugemutet, die allein für 2005 Bürger und Unternehmen mit acht Milliarden Euro belastet. Im Mai 2004 ließ er kein gutes Haar an der von der SPD präferierten Bürgerversicherung. Diese Art der Finanzierung der Krankenkassen lasse sich nicht mit Schröders Reform-„Agenda 2010“ vereinbaren. Richtig in Wut gerieten Regierungskoalitionäre und Gewerkschafter, als Rogowski letzte Woche in der Zeit forderte, die Wirtschaft aus der Sozialpartnerschaft zu entlassen. Die Beschäftigten sollten „die soziale Sicherung und das Gesundheitssystem selbst finanzieren“. Aufgabe der Unternehmen sei es hingegen, Arbeit zu schaffen. „Der soziale Frieden ist teuer erkauft, und das hat uns zum Teil die Probleme beschert, die wir heute haben“, so der BDI-Chef. Ziel müsse es sein, die Sozialsysteme von den Arbeitsverhältnissen abzukoppeln, da nur so ein Beitrag zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit geleistet werden könne. SPD-Generalsekretär Uwe Benneter bezeichnete dies in der Frankfurter Rundschau als asoziales Verhalten: „Wer das tut, hat offensichtlich die Idee eines Suppenküchen-Sozialstaats im Hinterkopf, in dem die Unternehmen keinerlei sozialstaatliche Verantwortung mehr tragen“. Ex-Grünen-Chef Fritz Kuhn sieht sogar den Abschied der Arbeitgeber von der sozialen Marktwirtschaft, und sein Nachfolger Reinhard Bütikofer warf Rogowski im Deutschlandfunk vor, er habe keine gute Vorstellung von einer „demokratischen Republik“. DGB-Chef Michael Sommer hält es für eine Selbstverständlichkeit, daß sich die Arbeitgeber der Verantwortung für die sozialen Sicherungssysteme stellen, weil sie sonst den sozialen Frieden gefährdeten. Allerdings wird der soziale Frieden vor allem durch die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland zunehmend in Mitleidenschaft gezogen. Hinzu kommt, daß nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Funktionäre Nutznießer des sozialen Zwangsversicherungssystems sind, in dem der einzelne Leistungen erhält, die in keiner Relation zu seinen Einzahlungen stehen. Die Sozialverwaltungsbürokratie lebt von der Differenz zwischen den Erwartungen der Versicherten und der tatsächlichen Leistung. Die Verwaltungskosten der 302 Krankenkassen haben sich 2003 auf rund 10,4 Milliarden Euro belaufen und nehmen mit atemberaubenden Steigerungsraten zu – bei manchen Kassen sind es über sieben Prozent der Einnahmen. Die Kosten der GRV sind durch aufgeblähte Verwaltungen und den Verband deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) an der Spitze erheblich. Die Bundesagentur für Arbeit (BA), deren etwa 90.000 Mitarbeiter trotz steigender Ineffizienz Tausende neue Kollegen bekommen sollen, treibt die Kosten in die Höhe – fast die Hälfte des BA-Etats geht für Bürokratie und häufig äußerst fragwürde „Maßnahmen“ aller Art drauf. Die Sozialversicherungssysteme sind ein Milliardengrab für die Beiträge der Versicherten. Natürlich wollen in einer Krankenkasse die „Vertreter“ der Arbeitnehmer sitzen, ebenso in den GRV. Zwar wird in der gemeinsamen Selbstverwaltung von Wahlen gesprochen. Wenn die Kandidaten und deren Auswahlverfahren den Wählern nicht bekannt sind, kann aber von Wahlen im demokratischen Sinn wohl kaum die Rede sein. Die minimale Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten ist jedenfalls ein Zeichen dafür, daß diese Wahl als scheindemokratisch empfunden wird. Das Sozialsystem in Deutschland hat eine Fehlentwicklung hinter sich. Nicht die Bedürfnisse der Versicherten sind das Ziel, sondern die Besitzstandswahrung der Macht einer Clique von Partei- und Gewerkschaftsfunktionären in diesem Sozialsystem. Deshalb hat Rogowskis Forderung, die Versicherung von Krankheit, Arbeitslosigkeit und finanzieller Absicherung im Alter in die Hände der Betroffenen zu geben, diesen Furor erzeugt. Durch die von Rogowski vorgeschlagene Trennung der Arbeitskosten von den Sozialkosten wird der Weg frei zum Wettbewerb privater Versicherungen und zur Abschaffung der „Versicherungen“, die weder sozial noch Versicherungen sind. Es wird aber auch der Weg frei für transparente Arbeitskosten, die aus dem Arbeitsprozeß resultieren und nicht mit Kosten belastet werden, die den Privatbereich der Arbeitnehmer betreffen. Die Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft entmachtet die „Interessenwahrer“ und stärkt die Verantwortung der Bürger. Die Bürger, die Beiträge der privaten Versicherungen nicht in vollem Umfang finanzieren können, sind aus Steuergeldern zu subventionieren. Nicht Versicherungen haben Versicherten im Namen der Solidarität für gleiche Leistungen unterschiedlich hohe Beiträge aus dem Geldbeutel zu ziehen. Umverteilung ist die Aufgabe des Staates über die progressive Einkommensteuer, bei der ein Besserverdienender mehr Steuern zahlt, damit diese Mehreinnahme des Staates dem Schlechterverdienenden gegeben wird. Das ist soziale Marktwirtschaft nach Artikel 20 des Grundgesetzes.

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