Harte Augen, ein finsteres, unterhalb der Wangenknochen fest verschlossenes Gesicht, das einen Anflug von Mutwillen und Grobheit zeigt: Marlon Brando in der Rolle des Stanley Kowalski in Tennessee Williams Drama „Endstation Sehnsucht“ (1951). Zwischen 1947 und 1949 hatte er diese Rolle am Broadway gespielt, sein erstes großes Theaterstück. Nach der Premiere des Films wurde er für einen Academy Award nominiert, die Oscars bekamen jedoch seine drei Co-Stars Vivien Leigh, Karl Malden und Kim Hunter. Ein Jahr zuvor hatte Brando unter der Regie von Fred Zinnemann in „Die Männer“ sein Filmdebüt gegeben. Am 3. April 1924 in Omaha/ Nebraska als Sohn eines Futtermittel-Herstellers und einer Amateurschauspielerin, von der er die Liebe zur Bühnenkunst geerbt hatte, geboren, versuchte sich der junge Mann in den verschiedensten Berufen, bis er schließlich Schauspielunterricht nahm. Nach dem sensationellen Erfolg von „Endstation Sehnsucht“ überschüttete Hollywood ihn mit Angeboten. 1952 spielte er in Elia Kazans „Viva Zapata!“ den mexikanischen Bauernrevolutionär und in „Julius Cäsar“ (1953) den Marcus Antonius. Die Darstellung bringt ihm zwar die dritte Oscar-Nominierung ein, aber er geht wieder leer aus. Seinen ersten wirklich schlechten Film, „Der Wilde“ (1954), machte er bereits mit seinem nächsten Streifen wieder gut. In „Die Faust im Nacken“ spielt er unter der Regie von Elia Kazan den nicht besonders intelligenten Ex-Boxer Terry Malloy. Brandos brillante Darstellung veranlaßte Hollywood, ihm endlich den längst verdienten Oscar zu verleihen. Seine nächsten Filme erreichten nicht mehr die gleiche Qualität; erst mit „Der Mann in der Schlangenhaut“ (1961), „Meuterei auf der Bounty“ (1962) und „Der häßliche Amerikaner“ (1963) war er künstlerisch wieder ganz oben. „Der Pate“ (1972) zeigt ihn als einen harten sizilianischen Bauern, der sich zum patriarchalischen Chef eines Verbrechersyndikats in den USA hochgearbeitet hat. Sein Don Corleone ist eine überaus zwiespältige Figur, die auf der einen Seite Terror und Mord befiehlt, andererseits die eigene Familie mit eiserner Disziplin und rigiden Moralvorstellungen streng zusammenhält. Verdientermaßen will Hollywood ihm seinen zweiten Oscar verleihen, doch Brando erscheint nicht zu der Ehrung, sondern läßt eine junge Indianerin wegen der Unterdrückung der Ureinwohner seine Ablehnung verkünden. Es sollte ein paar Jahre dauern, bis man sich wieder mit ihm versöhnte. Seine brillante Darstellung des außer Kontrolle geratenen US-Colonels Walter Kurtz in „Apocalypse Now“ (1979) begeisterte selbst Brando-Kritiker. Er verkörpert jenen Colonel Kurtz mit schier unglaublicher Intensität. Kurtz, der in einem entlegenen Dschungelgebiet – von den Eingeborenen wie eine Gottheit mythisch verehrt – einen barbarischen Privatkrieg führt, wird zum Ende in einer Art rituellen Tötung, die jedoch mehr einem würdevollen Opfergang als einer von der Armeeführung befohlenen Exterminierung ähnelt, ausgeschaltet. Von einigen eifrigen Kritikern erhielt der Film – zu Unrecht – das Prädikat „faschistoid“. Danach drehte Brando keinen Film mehr von vergleichbarer Intensität. Die Cineasten aber werden sich zeitlebens an einen anderen Brando erinnern: An den rauhbeinigen Stanley Kowalski in „Endstation Sehnsucht“ und an die unendliche Tragik im Gesicht des zwischen der Treue zu seinem Bruder, der Liebe zu seinem Mädchen und der schmerzhaften Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit hin und her gerissenen jungen Terry Malloy in „Die Faust im Nacken“. Am 3. April wird die Schauspiellegende Marlon Brando, Hollywoods großer Unabhängiger, achtzig Jahre alt.