Als die Deutsche Post World Net vor knapp zwei Jahren das international operierende US-Logistikunternehmen DHL, benannt nach dessen Gründern Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn, übernahm, ahnten nur wenige, wie es um die Zukunft eines der weltgrößten Transportunternehmen bestellt sein würde. „Wir werden der weltweite Logistiker Nummer eins“, lautete seinerzeit das charmante Ziel des von den Medien stets als charismatisch präsentierten Post-Vorstandsvorsitzenden Klaus Zumwinkel. Grundsätzlich stellt der Plan, den Umbau einer antiquierten und defizitären Behörde zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen zu nutzen, um ein globales Firmenimperium zu schaffen, einen kaufmännisch geschickten Schachzug dar, finanziert durch die sicheren Einnahmen des bis Ende 2007 gesicherten Briefmonopols. Auf den zweiten Blick erschließt sich dem kritischen Betrachter der Preis, den der Kurs des Post-Konzerns fordert. So findet das Wachstum, mit dem man alljährlich die Bilanzen verkündet, in erster Linie auf dem Rücken und zu Lasten der Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner statt – Parallelen zur einst staatlichen und nun auf Börsenkurs befindlichen Deutschen Bahn sind unverkennbar. Poststellen und Briefkästen werden abgebaut, Öffnungszeiten eingeschränkt, und selbst in Metropolen wie Berlin oder München kommen die Sendungen immer später beim Kunden an. Mochte man vor wenigen Jahren noch seinen örtlichen Briefträger oder Paketzusteller um seinen frühen Feierabend beneiden, so müssen sie heutzutage größtenteils ein exponentielles Maß an unbezahlter Mehrarbeit leisten, sofern sie ihre Arbeit behalten wollen. Die einhergehenden Lohn- und Gehaltserhöhungen haben dabei angesichts von jahrelangen Rekordgewinnen höchstens Alibi- und Trinkgeldcharakter. Die harten Geschäftspraktiken der Post tragen dabei auch allerlei skurrile Blüten. So ist es mittlerweile gang und gäbe, wenn Lieferwagen von Metzgereien oder Handwerksunternehmen den Briefkasten leeren oder der ehemals angestellte Paketbote nun als Subunternehmer das Tagesgeschäft abwickelt. Zahllose Postagenturen haben sich den nach zwei Jahren in Folge knüppelhart verschlechterten Knebelverträgen nicht mehr beugen wollen und ihre Verträge mit dem gelben Riesen gekündigt oder stehen kurz davor – von den Angestellten und verbliebenen Beamten in Verwaltung und Filialen ganz zu schweigen. In Zahlen ausgedrückt läßt sich so vortrefflich der Unternehmensgewinn steigern. Während hierzulande die millionenschweren Werbespots der Gottschalk-Brüder den Zukauf DHL und die dadurch erschlossenen internationalen Märkte präsentieren – schließlich ist der Logistiker im Ausland bedeutend bekannter als die ehemalige Deutsche Bundespost -, wird der deutsche Ableger der DHL systematisch aufgelöst. Die „Marke“ DHL vereint nun auch im Inland den ehemaligen Paketdienst „Euro Express“ der Deutschen Post, das Transportgeschäft von Danzas und natürlich die eigenen Leistungen unter der neuen Führung des Konzerns mit dem „denglischen“ Namen Deutsche Post World Net. Wer ein Postpaket oder eine Speditionslieferung erwartet, erhält dieses durch DHL. Wer nun denkt, DHL würde die Post verdrängen, irrt gewaltig, denn durch die zahlreichen, für Außenstehende oft wirr erscheinenden Umstrukturierungen ist es die DHL, die zur bloßen Fassade mutiert – und mit ihr der gute Ruf des knapp 40jährigen Traditionsunternehmens. Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt hat seit Anfang Juli auch bei DHL die Auslagerung (neudeutsch „Outsourcing“) der Arbeit der über tausend Zusteller an die als „Servicepartner“ titulierten Subunternehmer begonnen. Nicht wenige DHL-Mitarbeiter fanden nach ihrer Rückkehr aus dem Sommerurlaub ihre Strecken umverteilt und sich selbst in zwangsweiser „Arbeitsbereitschaft“, das heißt wartend, vor. Die Post dementierte kommentarlos, jedoch mehren sich die Stimmen derer, die eine Abfindungslawine befürchten. Wer dem „goldenen Händedruck“ entsagt, darf sich intern neu bewerben, zumal die Beschäftigungsgarantien bis März 2008 nur für Angestellte des Dachkonzerns Post (knapp eine Viertelmillion), nicht jedoch für die etwa zehntausend Mitarbeiter der Töchter gelten.
Wenn besagte Bewerbungenüberhaupt eine Chance haben, gehen sie zumeist mit erheblichen Abstrichen bei der Vergütung einher, so daß viele Mitarbeiter bereits zur Konkurrenz abgewandert sind. In Geschäftsberichten und im Kostensenkungsprogramm „Star“ nennt man das Synergieeffekte. Doch auch die alte Führungsriege der DHL, deren Erfahrungen, Kundenbeziehungen und Fachkenntnissen man im Glauben an die unfehlbare Allwissenheit von Unternehmensberatern à la McKinsey keinen Wert mehr beimißt, droht in den Wirren der oft nicht nachvollziehbaren Umorganisationen unterzugehen. Der bisherigen und nunmehr als „DHL classic“ bezeichneten Organisation rechnet man angesichts der Pläne Zumwinkels (ex-McKinsey) und McKinseys auch keine große Zukunft mehr aus, während der früher kollegiale einem rüden Tonfall weicht und die Kontrollsucht des Mutterkonzerns mit ihrer absolutistischen Unternehmenskultur die Arbeit behindert. Pressewirksam väterlich gibt sich Zumwinkel jedoch stets in der Öffentlichkeit, wenn er sich damit brüstet, wie gut er seine Mitarbeiter behandelt. Bezieht die DHL-Belegschaft dies zunächst nur auf angestammte Postmitarbeiter, fragen diese sich wiederum, ob sie tatsächlich das laut Sozialbericht „wichtigste Kapital“ darstellen und im Kehrschluß, wie diese Aussage gemeint sei. So offenbart sich hinter der menschenfreundlichen Maske des Firmenlenkers de facto ein Manager, der sich in erster Linie dem Shareholder-Value, also dem Aktienkurs, verpflichtet fühlt statt denen, die ihn im Tagesgeschäft erarbeiten. So ist es auch wenig verwunderlich, daß die Verhandlungen zur Zusammenführung von Danzas, Post Euro Express und DHL im Juli am Widerstand der Betriebsräte und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di scheiterten, nachdem sich ein Vorvertrag vor allem für DHL als leere Versprechung entpuppte, so daß diese Woche eine Schiedsstelle des Arbeitsgerichts einer Eskalation entgegenwirken soll, da der DHL-Betriebsrat für die Mehrheit zumindest eine Beschäftigungssicherung durchsetzen möchte. Doch auch seitens der Kunden regt sich Widerstand gegen die Ambitionen der neuen DHL-Eigner. So verhandeln bereits mehrere namhafte Unternehmen wie der Karstadt-Quelle-Konzern, Adidas-Salomon oder der Maschinenbauer MAN mit den inzwischen zahlreichen Logistikanbietern, ausgerechnet jenem Bereich, in dem sie von der Marktführerschaft am weitesten entfernt ist. Während die Post sich gegenüber den Reklamationen ihrer umsatzstarken Großkunden taub stellt, regt sich massiver Widerstand gegen die sich verschlechternde Abfertigung durch unzuverlässige Fremdfahrer, die oftmals nur über mangelnde Sprachkenntnisse verfügen, sofern sie sich überhaupt blicken lassen. Einige Geschäftskunden bestehen – mit unterschiedlichem Erfolg – auf eine Belieferung durch die angestammten DHL-Ansprechpartner. Diese Lobby bleibt den verärgerten Privatkunden und kleinen Gewerbetreibenden leider verschlossen. Foto: DHL-Zustellerin: Guter Ruf des Traditionsunternehmens in Gefahr