Die am 2. Juli erfolgte Umbenennung der Wiener Gartenbaupromenade im Ersten Wiener Gemeindebezirk in Theodor-Herzl-Platz – der Begründer des Zionismus starb am 3. Juli 1904 – nahmen orthodoxe Juden aus aller Welt zum Anlaß, in der österreichischen Hauptstadt eine internationale Rabbinerkonferenz abzuhalten. Zum Thema „Das orthodoxe antizionistische Judentum in Österreich und weltweit und sein Verhältnis zu den europäischen Staaten – insbesondere Deutschland und Österreich in Gegenwart und Vergangenheit“ diskutierten am 1. Juli in einem Wiener Nobelhotel Vertreter des Islam – Palästinenser und Iraner – sowie des Christentums mit den jüdisch-orthodoxen Veranstaltern. Als Ehrengäste erschienen waren der österreichische Ex-Außenminister Erwin Lanc (SPÖ), Volksanwalt Ewald Stadler (FPÖ) und der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann. Aus Gesundheitsgründen sagten Altbundespräsident Kurt Waldheim und Ex-Justizminister Hans Richard Klecatsky (beide ÖVP) ihre Teilnahme ab. Alle Ehrengästen sprachen sich dabei für die Anerkennung eigener orthodoxer jüdischer Gemeinden aus. Erwin Lanc sagte in seiner Rede, daß er zwar ein Religionsloser sei, aber sich dennoch für eine umfassende Garantie der Religionsfreiheit ausspreche. Die Grußbotschaft des früheren Justizministers Klecatsky enthielt – unter Bezug auf ein Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahre 1981 – ebenfalls die Forderung nach einer Gleichbehandlung der in Österreich sehr kleinen Gemeinde der orthodoxen Juden mit ihren Glaubensbrüdern aus der weitaus mitgliederstärkeren Israelitischen Kultusgemeinde, zumindest was die Organisationsform betrifft. In seinem Grundsatzreferat kritisierte dabei der Wiener Oberrabbiner Moishe Arye Friedman den Zionismus im allgemeinen und das Werk Theodor Herzls im besonderen. Was für einen streng religiösen Juden nicht ungewöhnlich ist: Schließlich war der Zionismus oft von starken sozialistischen oder gar atheistischen Einflüssen mitgeprägt. Während sich orthodoxe Juden nicht in die Innenpolitik ihres Landes einmischten und sich als loyale Bürger des jeweiligen Staates, in dem sie lebten, verstünden, sehe dies bei den Zionisten ganz anders aus, meinte Friedman. So hätten diese bereits 1933 zu Boykottmaßnahmen gegen Deutschland aufgerufen und das deutsch-jüdische Verhältnis mit vergiftet. Deutschland bezeichnete er wörtlich als ein „besetztes Land“. Seinen Namensvetter Michel Friedman, den früheren Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte er einen „moralisch fragwürdigen Kokainbenutzer“. „Wir glaubenstreuen Juden sehen“, so Moishe Arye Friedman, „im Zionismus Verrat an Gott“. Theodor Herzl und seine Bewegung seien daher ein Unglück für das Judentum gewesen. Die CDU/CSU forderte der Wiener Oberrabbiner auf, das an Martin Hohmann begangene Unrecht wiedergutzumachen. Hohmann – in Deutschland vom Parteiausschluß bedroht – wiederum bedankte sich bei den orthodoxen Juden für die Unterstützung und Solidarität und hob auch den jüdischstämmigen US-Professor Norman Finkelstein lobend hervor. Als Katholik sei er zu diesem „interreligiösen Dialog“ mit einer „gewissen Neugier“ gekommen. Erstaunlich, so Hohmann, sei es, wie es dem Judentum gelungen sei, über Jahrtausende die eigene Identität zu wahren. In bezug auf die Gegenwart zitierte der CDU-Politiker einen Satz von Gerhard Schröder, wonach man sich „auf gleicher Augenhöhe begegnen“ müsse, und zwar in „gegenseitiger Wertschätzung, in Achtung und Respekt“. Deutschland und Österreich sollten nun einen Weg finden, daß die Juden – egal, welcher Ausrichtung – ihre Gemeinde selbst wählen können und nicht in eine Einheitsgemeinde gepreßt werden.
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