Die Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung im Streit um die CD-Neuveröffentlichung der Symphonie „Letzte Briefe aus Stalingrad“ des französischen Komponisten Aubert Lemeland scheinen endgültig gescheitert. Die Schauspielerin Senta Berger hat in einem Brief an den Top Music Verlag klargestellt, kein Interesse mehr an weiteren Verhandlungen zu haben. Zuvor hatte sie sich von der Aufnahme, bei der sie zwischen den Musiksätzen die zum Werk gehörenden Feldpostbriefe deutscher Soldaten aus Stalingrad verlas, distanziert und den Vertrieb der Kompaktplatte untersagt (JF 18/03). „Inzwischen haben wir unseren Rechtsanwalt eingeschaltet“, so Hans Richard Stracke, Chef des kleinen Top Music Verlages, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Man wolle prüfen, ob man sich nicht juristisch gegen ein Verbot des Tonträgers zur Wehr setzen könne. Der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge – am Erlös jeder Platte beteiligt – bedauerte gegenüber der JF die Entwicklung, möchte sich aber nicht am Rechtsstreit beteiligen. Entstanden war der Streit, nachdem Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) die in der Symphonie verwendeten Briefe als „Nazi-Texte“ verunglimpft und deren Verlesung im Reichstag anläßlich der Feierstunde zum Volkstrauertag 2002 verboten hatte (JF 48/02). Zwar widersprachen namhafte Fachleute dieser Deutung („von einer Manipulation im Sinne der NS-Ideologie kann nicht gesprochen werden“) – darunter sogar der Historiker Jens Ebert, der das Büro Thierses über die Hintergründe der Geschichte der Briefe informiert hatte -, dennoch sieht Frau Berger nach eigenem Bekunden seitdem ihren guten Ruf in Gefahr. Unterdessen verweigert auch das Nachrichtenmagazin Der Spiegel endgültig jede Entschuldigung gegenüber dem Komponisten für seine fragwürdige Berichterstattung in dem Fall. Der Spiegel hatte im vergangenen November trotz Rücksprache mit dem Verlag die wissenschaftlich nicht haltbare Deutung des Bundestagspräsidenten kolportiert, diese noch durch eine eigene politisch einschlägige Diktion („braune Töne“, etc.) verstärkt und so erst der Stigmatisierung des Werkes öffentliche Wirksamkeit verliehen. Nach einem sich über Monate hinziehenden Briefwechsel zwischen dem Hamburger Magazin und dem Top Music Verlag, stritt nun der verantwortliche Redakteur Klaus Wiegrefe in einem Schreiben auch gegenüber der JF jeden Grund zur Entschuldigung oder gar Richtigstellung ab. Komponist Aubert Lemeland hat deshalb nun angekündigt, sich mit der Bitte um Intervention an die französischen Kulturbehörden zu wenden, um sich der Ächtung seines Werkes in Deutschland zu erwehren. Unabhängig davon plant Lemeland, der nicht nur den Opfergang der deutschen Soldaten in Stalingrad, sondern auch das Leiden ihrer alliierten Kameraden während der verlustreichen Landung in der Normandie vertont hat, inzwischen die Komposition einer Oper zum Thema Bombenkrieg. „Mit der Thematik trage ich mich schon seit etwa fünf Jahren“, so Lemeland auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Dazu will er eine Geschichte des französischen Schriftstellers Jules Roy vertonen. Dessen Erzählung, die auf eigenen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg beruht, schildert einen freifranzösischen Bomberpiloten der britischen Royal Air Force, der sich eines Tages weigert, weiterhin Bombenangriffe auf Frauen und Kinder in den deutschen Städten zu fliegen und dafür vor Gericht gestellt wird. 1979 war der Stoff bereits für das französische Fernsehen bearbeitet worden. „Die Verwirklichung meines Vorhabens hängt davon ab, ob ich einen Auftraggeber finden kann. Am liebsten wäre mir, die Oper als deutsch-französische Kooperation aufführen zu können“, so Lemeland gegenüber der JF.
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