Die Wirtschaft will endlich Taten sehen. Die Gewinne derjenigen Unternehmen, auf die es politisch ankommt, sind zwar weiterhin respektabel. Wenn es aber gelänge, die Massen dazu zu bewegen, nur ein klein wenig ihres demokratisch erpreßten Wohlstandes aufzugeben, ließe sich auf breiterer Basis noch viel mehr verdienen. Dazu wird es allerdings einer „Allianz der Vernunft“ bedürfen, wie sie der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, nun schon zum wiederholten Male und daher mit wachsender Ungeduld einfordert. Dabei ist er mit der Bundesregierung gar nicht so unzufrieden. Gerhard Schröder hat vielmehr auch für die Argwöhnischsten aus den lichten Höhen der Vermögenspyramide zur Genüge unter Beweis gestellt, daß es mit ihm keine Sozialpolitik im herkömmlichen Sinn mehr geben wird. Der BDI-Chef ist vielmehr enttäuscht von unserer Verfassungsordnung, die einen schnellen und reibungslosen Umbau des Staates nach den jeweils aktuellen Bedürfnissen der Wirtschaft erschwert. Daran wird jedoch in absehbarer Zeit nichts zu ändern sein, sofern man nicht einen offenen Staatsstreich, der in einer marktwirtschaftlichen Ordnung aber immer nur das letzte Mittel sein kann, in Betracht ziehen möchte. Der Ärger von Michael Rogowski richtet sich daher ganz pragmatisch auf jene, die doch eigentlich dafür prädestiniert wären, seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen: Die Unionsparteien sollen, so sein Wunsch, nicht nur nach der Macht schielen, sondern im Interesse des von ihm repräsentierten Ganzen bereits aus der Opposition heraus konstruktiv an dem erforderlichen Wandel mitarbeiten. Sicher ist sein Drängeln menschlich nachvollziehbar. Je länger die erstrebten Reformen auf sich warten lassen, desto später werden sich ihre die Ertragskraft der Unternehmen beflügelnden Effekte bemerkbar machen. Dennoch sollte Michael Rogowski politisch kühlen Kopf bewahren. Die Modernisierung unseres Staates beinhaltet bis auf weiteres nicht, daß den leidtragenden Massen ihr Wahlrecht entzogen wird. Nur wenige von ihnen werden sich in die Stimmenthaltung abdrängen lassen. Wen aber sollen sie wählen? Die Schröder-SPD wird nicht erneut unter der Flagge der sozialen Gerechtigkeit segeln können. FDP und Grüne sind per se anderen Zielen verschrieben. Die PDS ist eine Gefahr für die marktwirtschaftliche Demokratie, solange sich Oskar Lafontaine nicht an ihre Spitze gesetzt hat. Es bleiben also nur die Unionsparteien als Zuflucht für jene, die noch einen bescheidenen Rest von Sozialstaat aus der Konkursmasse retten wollen. Es ist davon auszugehen, daß CDU und CSU, erst einmal an die Regierung gelangt, das Reformwerk sogar mit mehr Konsequenz fortführen werden. Solange sie dies noch nicht können, muß man ihnen aber zubilligen, daß sie die Unzufriedenen jetzt um sich scharen und sie erst später enttäuschen. Anders kann es im Parlamentarismus schließlich nicht zu wechselnden Mehrheiten kommen.