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Faktenverzerrung willig vollstreckt

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Faktenverzerrung willig vollstreckt

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Nachdem schon sein Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ von Historikern einer vernichtenden Kritik unterzogen wurde, glaubte der Verfasser, zumindest mit seinen ungezügelten Angriffen auf Pius XII. die katholische Kirche zum Sündenbock für den Holocaust machen zu können. Goldhagens Arbeit ist nicht nur durch Voreingenommenheit, sondern auch unglaubliche Verzerrung der Fakten geprägt. Für den Kenner der Materie bedeutet es schon eine Zumutung, sich durch ein derart unwissenschaftliches Werk hindurchzuquälen. Goldhagens beherrschende Grundthese geht von einer katholischen Kirche aus, die zutiefst antisemitisch und hat seit ihrem Ursprung einen „eliminatorischen Antisemitismus“ geschürt. Dieser sei in einen „exterminatorischen Antisemitismus“ übergegangen und habe letztlich nach Auschwitz geführt. Es trifft gewiß zu, daß es in der Kirche Jahrhunderte hindurch einen Antijudaismus gegeben hat, der aber mit dem Antisemitismus, wie er heute verstanden wird, absolut nichts zu tun hat. Sicherlich ist er einmal in der Tatsache begründet, daß Juden, keineswegs aber „die Juden“, Christus verworfen haben und von Pilatus seinen Tod forderten. Dies läßt Goldhagen aber nicht gelten, sondern bezeichnet alle entsprechenden Passagen im Neuen Testament als böswillige Fälschung. Insgesamt 450 antisemitische Stellen glaubt er ausgemacht zu haben. Alles, was im Neuen Testament gegen die jüdischen Zeitgenossen Jesu und seine Jünger spricht, ist nach ihm üble Verleumdung. Mit derselben Argumentation könnte man natürlich die Behauptung, die Nazionalsozialisten hätten millionenfachen Mord begangen, als Brunnenvergiftung zurückweisen. Es müßte Goldhagen eigentlich stutzig machen, daß Jesus, seine Mutter und die Apostel samt und sonders Juden waren. Dasselbe gilt für die meisten ersten Christen. Alles Antisemiten? Paulus, der nach Goldhagen sozusagen zu den Urvätern des Antisemitismus zählt, gibt im 1. Thessalonicherbrief den wesentlichen Grund für den Antijudaismus an, der tatsächlich viele Gläubige geprägt hat: „Diese (nämlich die Juden) haben sogar Jesus, den Herrn, und die Propheten getötet; auch uns haben sie verfolgt. Sie mißfallen Gott und sind Feinde aller Menschen; sie hindern uns daran, den Helden das Evangelium zu verkünden und ihnen so das Heil zu bringen. Dadurch machen sie das Maß ihrer Sünden voll“ (2, 15 ff). Der Antijudaismus wurzelte auch nicht zuletzt im Talmud, dem Nachschlagewerk und der Rechtsquelle für Lehre, Kult und Gesetz des Judentums. In ihm finden wir zahlreiche christenfeindliche Aussagen und der Name Jesus wird stets mit schmähenden Zusätzen wie Betrüger, Bastard und ähnliches gebraucht. Bereits Papst Martin V. wies aber 1422 die antijüdische Polemik der christlichen Prediger zurück: „Wir wollen, daß jeder Christ die Juden mit menschlicher Milde behandelt und ihnen weder an Leib noch an Gut ein Unrecht zufügt.“ Schon vor Hitlers Machtergreifung verurteilte die Kirche den Antisemitismus. Im Dekret des Hl. Offiziums von 1928 heißt es: „Wie der Heilige Stuhl allen Haß und alle Feindschaft unter den Völkern verwirft, so verdammt er ganz besonders jenen Haß, den man gemeinhin mit Antisemitismus zu bezeichnen pflegt.“ Goldhagen zitiert aus zahlreichen Büchern, die seine Grundthese bestätigen sollen. Zwar führt er das Werk des jüdischen Historikers und Theologen Pinchas E. Lapide als Quelle an, bringt aber keinen einzigen Hinweis darauf, daß dieser in seinem Anti-Hochhuth-Buch „Rom und die Juden“ nachweist, daß die katholische Kirche unter Pius XII. wenigstens 700.000, wahrscheinlich aber sogar 860.000 Juden vor dem sicheren Tod gerettet hat, mehr als alle anderen Kirchen, die Alliierten und das Internationale Rote Kreuz zusammengenommen. Über dieses Werk urteilte der Londoner Jewish Chronicle: „Hätten denn Papst Pius XII und seine Kirche überhaupt mehr tun können?“ Das informative Werk des jüdischen Journalisten Jenö Leval „Papst Pius XII hat nicht geschwiegen“, bleibt unerwähnt. Hier wird deutlich, daß Goldhagens Buch darauf abzielt, mit Pius XII. zugleich die katholische Kirche zu diskreditieren. Natürlich erfährt der Leser auch nicht, daß von 55 Protestnoten des Vatikans allein zwischen 1933 und 1939 lediglich elf überhaupt beantwortet, deren Beschwerden aber als unbegründet zurückgewiesen wurden. Übrigens protestierte Pius XII. auf diplomatischem Weg gegen die Deportation der Juden aus Rom. Jedoch der deutsche Botschafter Ernst von Weizsäcker stellte die Dinge so dar, als hätte es keinen Protest des Papstes gegeben. Daher wurde kolportiert, der Papst habe sich nicht für die Juden Roms eingesetzt. Tatsächlich ordnete er an, die römischen Ordenshäuser sollten ungeachtet der Klausur Juden aufnehmen. Nachdem Pius XII. die Handlungsweise der Nationalsozialisten näher einschätzen konnte, rang er sich zur Auffassung durch, es sei wichtiger, alle Möglichkeiten stiller Hilfe im Verborgenen auszuschöpfen, als durch öffentliche Proteste die Machthaber herauszufordern, ohne den Verfolgten helfen zu können. Sein Nachfolger, Johannes XXIII. erklärte gegenüber Lapide: „Ein doktrinärer Papst hätte vielleicht ostentativ gehandelt; ein humaner mußte die stille Rettung der Verfolgten dem Posaunenruf einer leeren Enzyklika vorziehen.“ Goldhagens Machwerk bemüht sich nicht um die historische Wahrheit, sondern arbeitet mit Halbwahrheiten, Unterstellungen und der Unterdrückung von Tatsachen. Damit beantwortet er zum einen weniger Fragen, als er offenläßt und schadet damit eher dem christlich-jüdischen Dialog. Daniel Jonah Goldhagen: Die katholische Kirche und der Holocaust. Eine Untersuchung über Schuld und Sühne. Siedler Verlag, Berlin 2002, gebunden, 476 Seiten, 24,90 Euro

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