POTSDAM. Die Brandenburger SPD-BSW-Koalition unter Führung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist seit Dienstag in arge Bedrängnis geraten. Nur ein Jahr nach der Regierungsbildung und knapp 14 Monate nach der Landtagswahl haben die vier BSW-Abgeordneten Reinhard Simon, André von Ossowski, Melanie Matzies und Jouleen Gruhn ihre Partei verlassen.
Das Bündnis, das es so in Deutschland davor noch nie gab, hatte von Anfang lediglich eine knappe Mehrheit: Die absolute Mehrheit liegt bei 45 Parlamentariern. Beide Parteien zusammen verfügen über 46 Sitze: die SPD über 32, das BSW über 14.
Die vier Abgeordneten erklärten allerdings, als Parteilose weiterhin der BSW-Fraktion angehören zu wollen. Doch ob das tatsächlich so bleibt, ist ungewiß: Denn der Parteiaustritt hat seine Ursache ausschließlich in Spannungen innerhalb der Fraktion. Die Parlamentarier der jungen Partei zerstritten sich über die Medienstaatsverträge. Die Koalition hatte eine Zustimmung beschlossen, doch im BSW ist das umstritten.
„Zerrüttetes Vertrauensverhältnis“
Jouleen Gruhn, einer der Ausgetretenen, sagte nun über das Klima in der vergangenen Fraktionssitzung: „Das hat gezeigt, wie zerrüttet das Vertrauensverhältnis war.“ In einer Erklärung, die das Quartett am Dienstagabend verbreitete, heißt es: „Autoritäre Tendenzen prägen zunehmend mehr das innerparteiliche Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten.“
Außerdem ist von „radikalisierten Positionen“ die Rede, die den Diskurs dominierten und einem „Vorgehen, das unserem Verständnis von demokratischer Kultur widerspricht“. Man habe sich „dem BSW angeschlossen, weil wir an die Idee einer neuen politischen Kraft geglaubt haben“. Diese Hoffnung sei eng mit der sachorientierten und besonnenen Haltung von Sahra Wagenknecht verbunden gewesen. Nun sei das anders: „In den vergangenen Monaten hat sich jedoch eine Entwicklung abgezeichnet, die uns große Sorgen bereitet.“

Die SPD wurde von den dramatischen Entwicklungen völlig überrascht. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wollte sich dazu zunächst nicht äußern. SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann meinte gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten: „Die Dynamik innerhalb der BSW-Fraktion ist überraschend und zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend zu bewerten.“
Neuwahlen in Brandenburg?
Er habe aber zur Kenntnis genommen, daß es in der Erklärung der vier ausgetretenen ehemaligen BSW-Mitglieder „ein klares Bekenntnis zur Koalition“ gibt. In der Mitteilung heißt es tatsächlich: „Wir bekennen uns ausdrücklich zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags.“ Man werde „die hervorragende Arbeit unserer Ministerinnen und Minister Crumbach, Müller und Tabbert unter der Führung unseres Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke weiterhin mit ganzer Kraft unterstützen“.
Sollte die Brandenburger BSW-Fraktion aufgrund der Streitigkeiten doch noch zerbrechen, wird es für Woidke schwierig. Mit der CDU, der kleinsten Fraktion im Brandenburger Landtag, hätte die SPD keine Mehrheit. Doch Neuwahlen dürften alle Parteien bis auf die AfD vermeiden wollen. Nach der jüngsten Umfrage von vor knapp zwei Monaten (die JF berichtete) ist diese nämlich mit 34 Prozent und zehn Punkten Vorsprung auf die SPD stärkste Kraft. (fh)





