BRÜSSEL. Die umstrittene EU-Chatkontrolle hat vorerst keine Mehrheit gefunden. Ein Kompromißvorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft ist am Widerstand mehrerer Mitgliedsstaaten gescheitert, allen voran Deutschlands (die JF berichtete).
Der Entwurf sollte eigentlich beim nächsten Treffen der EU-Innenminister abgestimmt werden, wurde nun jedoch wieder von der Tagesordnung gestrichen. Doch damit ist das Vorhaben nicht endgültig vom Tisch: Dänemark oder spätere Ratspräsidentschaften könnten einen überarbeiteten Vorschlag erneut einbringen.
Die Botschafter der 27 EU-Staaten hatten über den drei Jahre alten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission beraten. Er sah vor, daß Anbieter wie WhatsApp, Signal oder Threema verpflichtet werden, die Nachrichten ihrer Nutzer automatisiert auf Bilder, Videos oder Links mit kinderpornographischem Inhalt zu durchsuchen. Das heißt, jede einzelne Nachricht wäre präventiv, ohne Verdachtsmoment kontrolliert worden.
Anbieter drohten bei Chatkontrolle mit Rückzug
Vor allem Deutschland hat sich gegen das Vorhaben gestellt. Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte: „Anlaßlose Chatkontrolle muß in einem Rechtsstaat tabu sein.“ Ohne deutsche Zustimmung wäre keine qualifizierte Mehrheit zustande gekommen – nötig wären 15 Mitgliedsstaaten mit zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung gewesen.
Auch große Anbieter lehnten die Pläne ab: Der Messenger-Dienst Signal drohte im Falle einer Annahme mit einem Rückzug aus Europa. Befürworter verwiesen dagegen auf bestehende freiwillige Maßnahmen zur Erkennung von Mißbrauchsdarstellungen und betonten, Datenschutzbehörden würden die Auswertung streng kontrollieren. (rr)