BERLIN. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig hat gefordert, dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (Grüne) die Kontrolle über die „Trusted Flagger“ zu entziehen. „Herr Müller hat seinen Vertrag bis Ende 2026. Den einzigen Weg, den ich sehe, ist die Beauftragung der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Überwachung und der Vergabe, was die Trusted Flagger betrifft, zu entziehen“, sagte die Politikerin der Nachrichtenseite Euronews.
Anlass ist eine angekündigte Verschärfung beim Trusted-Flagger-Programm. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte vor kurzem angekündigt, noch stärkere Kontrollen im Internet einzuführen. Dass „Trusted Flagger“ ihre Erkenntnisse an die Polizei weitergeben würden, werde „auf Dauer nicht reichen“.
EU-Abgeordneter Pürner kritisiert „Trusted Flagger“-System
Ludwig konterte: Es sei „absolut nicht in Ordnung, diesen Schritt weiter zu gehen“. Viele in der Union stünden der Praxis „Privatunternehmen zu beauftragen, durchzuforsten, was im Internet erlaubt ist und was nicht“, skeptisch gegenüber. Es sei nicht die neue Regierung unter Friedrich Merz, die den Kurs gegen die Meinungsfreiheit verschärfe – „Das ist Klaus Müller, der entsprechend die Trusted Flagger jetzt zertifiziert hat! Weder das Wirtschaftsministerium noch irgendjemand anderes hat Einfluss darauf. Leider“.
Kritik an dem System kam auch vom EU-Abgeordneten Friedrich Pürner (parteilos, ehemals BSW). Es sei „höchst interessant“, dass etwa die Meldestelle „Respect“ zum überwiegenden Teil aus staatlichen Mitteln finanziert werde. Eine „kritische Hinterfragung staatlicher Unabhängigkeit“ bliebe dabei aus.
Rechtsanwalt Höcker vermutet politische Schlagseite
Er befürchte, dass nur „vom Staat und der Regierung akzeptierte Meinungen oder Äußerungen akzeptiert werden“, betonte Pürner. Anders lautende Äußerungen könnten hingegen „diffamiert, gelöscht und so zum Schweigen gebracht werden.“ Ihn erinnere dies stark an seine „eigenen Erfahrungen während der Corona-Pandemie.“
Auch der Jurist Winfried Veil warnte vor dem „bösen Schein“, dass durch die staatliche Finanzierung ein „kollektives Zusammenwirken zwischen staatlichen Stellen und dem Trusted Flagger“. Der Rechtsanwalt Ralf Höcker berichtete „kein gutes Gefühl“ bei dieser Praxis zu haben. Es lasse sich nicht sicherstellen, dass die Meldestellen unabhängig agieren.
„De facto wird es so sein, dass genau solche Leute zu solchen Trusted Flaggern gehen, die ein Interesse daran haben, anderen ihre Meinung vorzuschreiben“, warnte Höcker. Diese Leute kämen dabei häufig aus einer bestimmten politischen Richtung.
HateAid-Geschäftsführerin vertraut ihren Mitarbeitern
Der SPD-Abgeordnete Parsa Marvi erkennt hingegen keine Gefahr einer Zensur. „Auf den Plattformen passieren justiziable strafrechtliche Dinge wie Hetze, Verleumdung, Bedrohung, Mobbing. All das ist sehr ernst zu nehmen.“ Es gehe nicht darum, Dinge zu löschen, sondern strafbare Inhalte meldefähig zu machen. Die „Trusted Flagger“ würden sich dabei an der Gesetzeslage orientieren.
Die Frage, woher Mitarbeiter der Meldestellen die juristische Expertise hätten, um einzuschätzen, welche Äußerungen illegal und welche noch zulässig seien, erwiderte die Geschäftsführerin der Meldestelle „HateAid“, Josephine Ballon, mit der Bemerkung, es sehe „schlecht für das Internet“ aus, wenn lediglich das Bundesverfassungsgericht über die nötige Kompetenz verfüge, um zwischen „legalen und illegalen Äußerungen zu unterscheiden“. Ihre Mitarbeiter seien „Diplomjuristen“ und würden „nach bestem Wissen und Gewissen Inhalte prüfen“.
🧐Wir fragen die HateAid-Geschäftsführerin, wie sie sicherstellt, dass im Löschantrag nur illegale Inhalte statt noch zulässige Meinungen stehen? Ihre Auffassung offenbar: dass „Diplomjuristen“ auch über Art. 5 GG rasch entscheiden können..
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— Zara Riffler (@ZaraRiffler) July 18, 2025
Bei „Trusted Flaggern“ handelt es sich um von der Bundesnetzagentur zertifizierte „vertrauliche Hinweisgeber“. Diese durchsuchen das Internet nach vermeintlich oder tatsächlich strafbaren Äußerungen und melden diese dann an die jeweiligen Plattformen, damit diese die löschen können. Nicht vorgesehen ist, dass die Meldestellen Inhalte direkt an die Polizei weiterleiten. Tatsächlich war es in der Vergangenheit auch dazu gekommen. (lb)