Anzeige
Anzeige

JF-Exklusiv: Verfassungsschutz nimmt beliebte YouTube-Stars in Visier

JF-Exklusiv: Verfassungsschutz nimmt beliebte YouTube-Stars in Visier

JF-Exklusiv: Verfassungsschutz nimmt beliebte YouTube-Stars in Visier

Miro „unblogd“ Wolsfeld, Boris von Morgenstern und der Ketzer der Neuzeit. Im Visier des Verfassungsschutz.
Miro „unblogd“ Wolsfeld, Boris von Morgenstern und der Ketzer der Neuzeit. Im Visier des Verfassungsschutz.
Miro „unblogd“ Wolsfeld, Boris von Morgenstern und der Ketzer der Neuzeit (v.l.n.r): Sie sollen Verfassungsfeinde sein. Fotos: Privat
JF-Exklusiv
 

Verfassungsschutz nimmt beliebte YouTube-Stars in Visier

Sie erreichen in den sozialen Netzwerken Millionen. Vor allem junge Menschen schauen Videos von Influencern wie dem „Ketzer der Neuzeit“. Dem Verfassungsschutz paßt das gar nicht. Er erklärt mehrere von ihnen zu „Rechtsextremisten“ und forscht sie aus, wie die JUNGE FREIHEIT erfuhr. In Baden-Württemberg hat das Konsequenzen.
Anzeige

Die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, Muhterem Aras (Grüne), hat der AfD-Landtagfraktion verboten, einen für den heutigen Sonnabend geplanten „Influencer Day“ im Landesparlament abzuhalten. Aras begründete dies in einem Schreiben an die AfD, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, mit der Anwesenheit der Influencer „Ketzer der Neuzeit“, Boris von Morgenstern und Miro „unblogd“.

„Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hat heute mitgeteilt, daß diese drei Personen bundesweit aktive und im Verfassungsschutzverbund bekannte Extremisten aus den Bereichen ‘Rechtsextremismus’ und ‘Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates’ sind“, schrieb Aras am 8. Juli an die AfD.

Influencer im Visier des Verfassungsschutzes

Zum Ketzer der Neuzeit schreibt die Landtagspräsidentin, dieser stamme „aus dem Bereich der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Ziel des Influencers sei es, „das Vertrauen in Politik, demokratische Entscheidungsprozesse und das staatliche System insgesamt zu erschüttern“. Er vertrete „darüber hinaus wesentlichen Teilen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehende ethnopluralistische Ansichten“. Welche das sein sollen, schrieb die Grünen-Politikerin nicht. Auch sonst liefert das Schreiben keine Beweise für die Unterstellungen.

Der Ketzer der Neuzeit, der mit bürgerlichem Namen Leonard Jäger heißt, wurde mit seinen humorvollen Videos und Besuchen von Demonstrationen zu einem deutschen Internetstar. Allein auf YouTube folgen dem christlichen Influencer mehr als 550.000 Menschen, seine Videos erreichen regelmäßig hunderttausende Aufrufe.

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zeigte sich Jäger irritiert über die Einstufung. „Wer meine Videos kennt, der weiß, wie absurd der Vorwurf des Rechtsextremismus ist. Man könnte denken, der Verfassungschutz hätte lediglich Angst vor Gespenstern unterm Bett, aber leider steckt dahinter Strategie.“ Was hier passiere, sei „nichts anderes als der Versuch, regierungskritische Stimmen mundtot zu machen“. Der bekannte Influencer spricht von einem „Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit im Namen der Demokratie, der in Wahrheit genau diese immer weiter aushebelt“.

Konservativer Journalist bekommt Hausverbot

Dem konservativen Journalisten Boris von Morgenstern wirft der Landtag vor, „laut Verfassungsschutz ein rechtsextremistischer Influencer mit Kontakten zu anderen Rechtsextremisten“ zu sein. Er sehe „sich nach eigenen Angaben durch den österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner geprägt“, der „rassistische, völkische und antisemitische Positionen“ vertrete. Nach Informationen der JF bekam von Morgenstern auch persönlich ein Hausverbot für den Landtag in Baden-Württemberg. Bemerkenswert: Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist er sogar offizielles Mitglied der Enquetekommission.

„Die Vorwürfe der Landtagspräsidentin sind für mich ebenso überraschend wie entlarvend“, sagte von Morgenstern der JF. „Ein aktivistisch agierender und weisungsgebundener Verfassungsschutz stellt Behauptungen ohne Belege auf. Ich wurde noch nie wegen irgendeiner Aussage in mittlerweile fast 1000 Videos und unzähligen weiteren Beiträgen auf X (Twitter), Instagram, Telegram oder anderen Plattformen verurteilt. Dennoch erteilt man mir ein Hausverbot für ein Landtagsgebäude“, kritisierte der YouTuber.

Von Morgenstern verwies darauf, daß er erst kürzlich im Bundestag gewesen sei, Mitglied einer Kommission im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist und als sachkundiger Bürger im Koblenzer Stadtrat sitzt. „Und plötzlich soll meine Anwesenheit eine Gefahr für das Ansehen und die Integrität des Parlaments in Baden-Württemberg sein.“

Wolsfeld wehrt sich gegen Anschuldigungen

Dem Influencer Miro „unblogd“ Wolsfeld hält Aras vor, laut Landesverfassungsschutz im „Bereich Rechtsextremismus“ aktiv zu sein. Zudem habe er – wie die Grünen-Politikerin schreibt – für das „rechtsextremistische Magazin Krautzone“ geschrieben. Das Magazin richtet sich an jüngere Menschen und wurde besonders durch seine Infografiken in den sozialen Netzwerken bekannt. Es taucht in keinem einzigen Bericht der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auf.

Der JUNGEN FREIHEIT sagte Wolsfeld, es verwundere ihn nicht wirklich, daß er „als grundlegend libertär eingestellter und friedfertiger Mensch jetzt beim Landesverfassungsschutz im ‘Bereich Rechtsextremismus’ geführt werde und Hausverbot im Landtag Baden-Württemberg habe“.

Wolsfeld weiter: „Gut, ich bin kein Freund von Masssenmigration, sondern für geregelte Migration, bin dafür, daß sich Frauen frei von Vorurteilen für Familie entscheiden können und nicht genötigt sind, für Steuern berufliche Karriere machen zu müssen, kritisiere ideologisch getriebenen Klimawahn, zeige Widersprüche der Linksgrünen auf und will vor allem, daß sie ihre Ideen und Projekte selbst finanzieren.“ Da könne man, so der Youtuber, „schon mal zum Beobachtungsobjekt vom Verfassungsschutz werden“. Er hoffe aber, daß dieses Land irgendwann dahin komme, „daß wir eine normale Debattenkultur haben“.

Grünen-Politikerin sieht „verfassungsfeindliche Agitation“

Für Landtagspräsidentin Aras geht von den drei Influencern die Gefahr aus, daß diese „auf der Veranstaltung im Rahmen der Redebeiträge und der Gespräche mit den Gästen verfassungsfeindliche Inhalte“ verbreiteten. Dabei sei davon auszugehen, daß „Videos und Bilder in den Räumen des Landtags entstehen, die über verschiedene Social-Media-Kanäle einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, befürchtet die Grüne. Damit werde „der Hausfrieden gestört und das Ansehen und die Integrität des Parlaments beschädigt“, behauptete die Politikerin.

Als Präsidentin des Landtags habe sie eine „Schutzverantwortung dafür, daß dies nicht geschieht und die Räumlichkeiten des Landtags nur innerhalb der Grenzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung genutzt werden“. Gerade die Räume „im Zentralbereich des Landtags und im Umfeld des Plenarsaals dürften auf keinen Fall für verfassungsfeindliche Agitation und die Anleitung dazu benutzt werden“, schrieb Aras weiter. Deswegen verhängte sie ein Hausverbot gegen Jäger, von Morgenstern und Wolsfeld und untersagte der AfD grundsätzlich, an diesem Tag überhaupt irgendwelche Veranstaltungen im Parlament abzuhalten.

AfD äußert heftige Kritik

Für die AfD ist der ganze Vorgang ein Skandal. „Die Landtagspräsidentin ist hier wieder einmal einen Schritt zu weit gegangen. Sie untersagt drei Medienschaffenden kurzerhand den Zutritt zum Landtag, und das auf einer völlig fadenscheinigen Grundlage. ’Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘ ist weiterhin ein völlig unscharfer Begriff und auch kein strafrechtlich relevanter Tatbestand“, sagte Fraktionschef Anton Baron der JUNGEN FREIHEIT.

Es sei verstörend, daß der Begriff genutzt werde, „um einer Fraktion die verfassungsrechtlich garantierte Ausübung ihrer Arbeit unmöglich zu machen und drei junge, idealistische Menschen kurzerhand zu Extremisten zu erklären“. Der Vorgang sei „ein Novum in der Geschichte unserer Fraktion, und wir werden ihn sicher nicht so einfach hinnehmen“, betonte Baron.

Nach Informationen dieser Zeitung gelang es der AfD jedoch rechtzeitig, neue Räume für die Veranstaltung zu finden. Sie findet am heutigen Sonnabend wie geplant statt – nur eben an einem anderen Ort.

Miro „unblogd“ Wolsfeld, Boris von Morgenstern und der Ketzer der Neuzeit (v.l.n.r): Sie sollen Verfassungsfeinde sein. Fotos: Privat
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
aktuelles