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Haushaltspolitik: Das Investitionsprogramm ist eine Mogelpackung

Haushaltspolitik: Das Investitionsprogramm ist eine Mogelpackung

Haushaltspolitik: Das Investitionsprogramm ist eine Mogelpackung

Das Bild zeigt Lars Klingbeil (SPD) und Friedrich Merz (CDU). Deutschland braucht Investitionen.
Das Bild zeigt Lars Klingbeil (SPD) und Friedrich Merz (CDU). Deutschland braucht Investitionen.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD, links) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU): Das Investitionssofortgrogramm könnte zum Eigentor werden. Foto: IMAGO / Funke Foto Services
Haushaltspolitik
 

Das Investitionsprogramm ist eine Mogelpackung

Das neue Investitionssofortprogramm soll die schwächelnde deutsche Wirtschaft ankurbeln. Doch das Projekt ist nicht gegenfinanziert. Das birgt massive Gefahren.
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Auf Steuererleichterungen und Finanzhilfen zur Stimulierung von privaten Investitionen setzt das vom Bundestag verabschiedete Investitionssofortprogramm, das am 11. Juli den Bundesrat passieren soll. Es umfaßt vier Einzelmaßnahmen: auf drei Jahre befristete verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter, eine schrittweise Senkung des Körperschaftsteuersatzes (KSt) um fünf Prozentpunkte beginnend ab 2028, eine Sonderabschreibung für geschäftliche E-Autos bei Anhebung der Preis­obergrenze auf 100.000 Euro und eine Ausweitung des Forschungszulagengesetzes mit Vorteilen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU).

Zwar gilt eine angebotsseitige Förderung allgemein als geeigneter Weg, um internationale Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zu stärken. Doch die Abschreibungsvergünstigungen wirken lediglich als Strohfeuer, da zeitlich begrenzt. Gewinnausweise werden in die Zukunft verlagert, was eine Liquiditätsverbesserung der Unternehmen bewirkt. Doch in späteren Jahren dreht sich dieser Effekt ins Gegenteil – es bleibt nur ein gewisser Zinseffekt. Die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes führt zur internationalen Angleichung, denn die Gewinnbesteuerung (KSt plus Gewerbesteuer) lag in Deutschland 2024 mit 29,9 Prozent sehr hoch.

Die fehlende Gegenfinanzierung ist ein Problem

Mit 31,5 Prozent lag nur Portugal als einziger EU-Mitgliedstaat darüber. Frankreich (25,8), die Niederlande (25,8), die USA (25,6), Großbritannien (25) und Polen (19) lagen als konkurrierende Investitionsstandorte teils erheblich darunter. Doch warum bis 2032 warten? Die Forschungsförderung wiederum begünstigt nur KMU, aber Pharma-Forschung benötigt oft Großunternehmen. Schließlich ist der Dienstwagenbonus ein Weiter-so der selektiven E-Mobilitätssubventionen.

Eine erste generelle Kritik am Gesetz besteht in der fehlenden Gegenfinanzierung. So wird bis 2029 mit Steuerausfällen von 46 Milliarden Euro gerechnet. Hinzu kommen dauerhafte Mindereinnahmen von 25 Milliarden Euro pro Jahr ab 2032. Die notwendigen Neukredite und die Befriedigung von Ländern/Kommunen nach Ausgleich ihrer Belastungen dürften aus dem „Verschiebebahnhof“ der neuen Möglichkeiten der Kreditfinanzierung nach der Reform der Schuldenbremse geschöpft werden. So verringern die Mindereinnahmen zunächst die Möglichkeiten zu staatlichen Infrastrukturinvestitionen. Doch die neuen „Sonderschulden Infrastruktur“ von 500 Milliarden Euro können diese Finanzierungslücke schließen.

Der „Investitions-Booster“ löst die Strukturprobleme nicht

Sollte dieser Topf 2036 geschlossen sein, bietet die „Bereichsausnahme Verteidigung“ (Artikel 109 GG) einen nach oben hin offenen Kreditspielraum, da auch verteidigungsnahe Infrastruktur wie Brücken zwecks Panzertragfähigkeit hieraus finanzierbar ist. Und schließlich hat die Gesamtheit der Länder einen neuen Verschuldungsspielraum von 0,35 Prozent des BIP erhalten. Faktisch ist damit jegliche Schuldenbremse ausgehebelt – was bereits jetzt der Bundeshaushaltsentwurf 2025 mit 143 Milliarden Euro Neuverschuldung (3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts/BIP bzw. 28,4 Prozent des Kernhaushaltes) widerspiegelt. Es mutet kafkaesk an, daß die EU-Schuldenregeln – durch Ausnahmeregelungen aufgeweicht – als löchriges Stabilitätsbollwerk derzeit pro forma noch Einhalt gebieten.

Eine zweite zentrale Kritik des „Investitions-Boosters“ setzt an der ausbleibenden Strukturreform an. Sie wäre der Königsweg, um mehr reales Wachstum zu erzeugen, damit auch die Besteuerungsgrundlagen zu erweitern und zukünftig auf eine strukturelle Neuverschuldung zu verzichten. Aktuell ist das deutsche Niveau der Staatseinnahmen und -ausgaben im internationalen Vergleich relativ hoch, was sich in der Staatsquote von 48,5 Prozent (2025) widerspiegelt. Nur acht EU-Staaten haben höhere Staatsquoten, die USA mit 39,9 und Japan mit 42,4 Prozent liegen erheblich darunter. Im Zeitraum 2015 bis 2019 machten die deutschen Sozialleistungen 24 Prozent des BIP aus, verglichen mit einem mittleren Wert von 15,5 Prozent anderer OECD-Volkswirtschaften.

Von 48 OECD-Ländern liegt Deutschland bei den Gesundheitsausgaben pro Kopf von ca. 8.000 Dollar (2022) auf Platz zwei gleichauf mit der Schweiz und nur hinter den USA (12.600 Dollar). Überdenkenswert sind die Subventionen. Im IfW-Subventionsbericht 2024 wird ein Volumen von 285,3 Milliarden Euro (6,6 Prozent des BIP) angegeben. Mit dem Wegfall der Finanzhilfen des Bundes zugunsten der Umweltpolitik und der Energieeffizienz (42,6 Milliarden Euro), dazu der Verzicht auf umweltschädliche Subventionen (43 Milliarden Euro) ließen sich Haushaltsmittel von über 85 Milliarden Euro einsparen. Steuermehreinnahmen wären ebenfalls denkbar. So liegen die Mehrwertsteuersätze zwei Prozentpunkte unter dem Mittlwert anderer Länder. Hinzu kommen Schlupflöcher durch die Gewerbesteuerbefreiung von Immobilienfirmen (fünf Milliarden Euro). Die Erbschafts- und Schenkungssteuerbefreiungen für Betriebsvermögen kosten zehn Milliarden Euro.

Dänemark macht es anders

Dänemark geht den Weg, Erben von Betriebsvermögen die Steuer in Raten über 30 Jahre zahlen zu lassen, anstatt sie vollständig von der Steuer zu befreien. Abseits der fiskalischen Strukturreformen ist eine ordnungspolitische Neuausrichtung notwendig – weg von staatlichen Eingriffen, die zu weiteren Re-Regulierungen und bürokratischen Kontrollen führen. Als Beispiele seien das Gebäudeenergie- sowie das Lieferkettengesetz genannt, für die Reformen, aber keine Streichung vorgesehen ist. Die diversen Regulierungen zum Klimaschutz (Abgasnormen, Gebäudeauflagen, Heizungen, Förderungen erneuerbarer Energien) laufen dem einheitlichen CO₂-Preis in der EU zuwider.

Hinzu treten die von der Koalition verabredeten Verschärfungen hinsichtlich Tariftreue, Mindestlohn und Mieterschutz. Schließlich könnte die Abkehr vom derzeitigen politisch-militärischen Leitbild der Kriegstüchtigkeit und der Konfrontation zwecks ultimativer Abschreckung wieder eine „Friedensdividende“ ermöglichen. Ausgehend von bereits hohen Verteidigungsausgaben für 2024 von 71,75 Milliarden Euro (51,95 Milliarden Euro zuzüglich 19,8 Milliarden Euro Sondervermögen) und den neuen Nato-Vorgaben bis 2035 von fünf Prozent des BIP (215 Milliarden Euro) könnte die „Friedensdividende“ etwa 144 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Allein dieser Wert würde die notwendige Gegenfinanzierung gut fünfmal übersteigen.

Mag der Gesetzentwurf der Merz-Koalition noch als Investitionsbooster mit Ladehemmung durchgehen, so kann die fehlende Gegenfinanzierung in Kombination mit den bislang ausbleibenden Strukturreformen eher als „Investitionsbuster“ bewertet werden.


Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Aus der JF-Ausgabe 28/25.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD, links) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU): Das Investitionssofortgrogramm könnte zum Eigentor werden. Foto: IMAGO / Funke Foto Services
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