BERLIN. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner hat im April an einem hochrangigen Treffen mit Persönlichkeiten aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Baku teilgenommen. Dabei soll es um die Zukunft des Petersburger Dialogs gegangen sein, wie das ARD-Magazin „Kontraste“ und die Zeit berichten.
Der Petersburger Dialog war 2001 von dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als bilaterales Forum zwischen den Ländern gegründet worden. 2023 wurde der Verein aufgelöst. Neben Stegner nahmen laut den Berichten unter anderem auch der frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und der ehemalige Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) an dem jüngsten Treffen teil. Beide waren früher im Petersburger Dialog aktiv.
Von russischer Seite waren demnach Wiktor Subkow, Sergej Kolin und Waleri Fadejew vor Ort. Subkow ist Aufsichtsratsvorsitzender des Gaskonzerns Gazprom und war früher russischer Ministerpräsident. Kolin ist ebenfalls für Gazprom aktiv. Und Fadejew ist Chef des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten; er steht seit 2023 auf der EU-Sanktionsliste.
Stegner kontrolliert die Geheimdienste
Das Treffen sorgte umgehend für Kritik. „Ralf Stegner muß entweder erklären, was er mit wessen Wissen in Baku tat, oder muß von seiner Partei von allen verantwortlichen Positionen ferngehalten werden, weil er nicht verantwortlich handeln kann“, forderte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger bei X.
Da ist nichts privat: @Ralf_Stegner muss entweder erklären, was er mit wessen Wissen in Baku tat oder muss von seiner Partei von allen verantwortlichen Positionen ferngehalten werden, weil er nicht verantwortlich handeln kann. Pofalla mag ihm danach gerne aushelfen.
— Thomas Jäger (@jaegerthomas2) May 8, 2025
Stegner ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages und hat damit Zugang zu Geheimdienstinformationen, die unter Verschluß gehalten werden. Gegenüber der Zeit sagte ein Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde, man müsse annehmen, daß der russische Nachrichtendienst FSB das Treffen in Baku aufgezeichnet habe oder die russischen Teilnehmer abschöpfe.
Kritik von Kiesewetter
CDU-Politiker Roderich Kiesewetter stellte daher die Frage, ob Stegner mit einem zweiten Handy gereist sei, welche Maßnahmen es im Vorfeld gegeben und ob er den Bundesnachrichtendienst hinterher informiert habe. „Solche Fragen muß er sich schon gefallen lassen.“
Die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) forderte bei X, Stegner nicht erneut ins Parlamentarische Kontrollgremium zu schicken. „Daß Ralf Stegner, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, an einem inoffiziellen Treffen mit kremlnahen Persönlichkeiten eines offiziell eingestellten Schröder-Putin-Gremiums in Baku teilgenommen hat, ist völlig inakzeptabel.“
Ralf Stegner darf im neuen Bundestag nicht noch einmal für das Parlamentarische Kontrollgremium nominiert werden.
Dass Ralf Stegner, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, an einem inoffiziellen Treffen mit kremlnahen Persönlichkeiten eines offiziell…
— Marie-Agnes Strack-Zimmermann (@MAStrackZi) May 9, 2025
Stegner verweist auf Bedeutung von Gesprächskontakten
Stegner betonte zunächst, er betrachte die Angelegenheit als privat. „Ich bin nicht im Auftrag von irgend jemandem unterwegs gewesen. Ich habe keine Mittel in Anspruch genommen von irgend jemandem.“ Dem Welt-Journalisten Tim Röhn sagte er, es sei bei dem Treffen um wechselseitige kontroverse Einschätzungen der Lage gegangen. Die Kosten für An- und Abreise sowie Unterkunft habe er privat gezahlt.
In einer gemeinsamen Erklärung unter anderem mit Pofalla und Platzeck, über die die Süddeutsche Zeitung berichtet, führte er aus, zu den Grundsätzen guter Außenpolitik gehöre, „daß auch und gerade in schwierigen Zeiten von zunehmenden Spannungen, Konflikten und Kriegen Gesprächskontakte in alle Teile der Welt und auch nach Rußland aufrechterhalten werden sollten“.
BSW: „Wo ist der Skandal?“
Es handle sich nicht um Geheimverhandlungen, „für die keiner von uns ein Mandat hätte und in die Regierungsstellen in keiner Weise involviert sind“. Politische Verantwortliche hätten aber Kenntnis von den Kontakten gehabt. Eine Wiederbelebung des Petersburger Dialogs sei nicht beabsichtigt. Und geheime Informationen habe man nicht ausgetauscht.
Unterstützung kommt derweil von dem EU-Abgeordneten Fabio De Masi. „Wo ist der Skandal?“, fragte der BSW-Politiker bei X. „Stegner traf hochrangige Russen. Wer auch nur einen Funken Ahnung von Diplomatie hat, weiß, daß solche informellen Begegnungen unerläßlich sind.“ (ser)