BERLIN. Die voraussichtlich noch bis Dienstag amtierende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat das umstrittene Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) betreffend der AfD ohne fachliche Prüfung durchgewunken. Das berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Am Freitag den 2. Mai hatte Faeser verkündet: Die gesamte AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Diese Entscheidung dient als Grundlage für eine mögliche Beobachtung und für ein potentielles Verbotsverfahren.
Noch vor zwei Wochen wollte Faser das Gutachten erst fachlich prüfen
Das 1.100 Seiten starke Gutachten war erst am Montag, dem 28. April 2025 im Ministerium eingegangen. Faeser sei demnach am Dienstag erstmals informiert worden, erhielt am Mittwoch die Vorlage, und entschied am Freitag – entgegen früherer Aussagen – es ohne Prüfung zu veröffentlichen.
Bei der Regierungspressekonferenz am 16. April erklärte ihre Sprecherin noch: „Sobald uns das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorliegt, werden wir es fachlich prüfen.“
Politiker in Berlin reagierten mit Unverständnis. CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter forderte umgehend Aufklärung: „Frau Faeser muß in dieser sensiblen Angelegenheit schleunigst in ihrem Amt klären, was stimmt. Warum wurde das Gutachten entgegen der Zusage ihrer Sprecherin nicht geprüft?“
„Zeitpunkt und Form der Bekanntmachung begründen Mißtrauen“
Auch aus wissenschaftlichen Kreisen kommt Kritik. Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler (Uni Oldenburg) nennt das Vorgehen einen „skandalösen Vorgang“: Das BfV fälle ein hartes Urteil, „begründet es wenig plausibel“ und halte die Belege geheim. Ex-BND-Chef August Hanning zeigte sich ebenfalls schockiert: „Zeitpunkt und Form der Bekanntmachung begründen Mißtrauen, daß eine konkurrierende Partei diskreditiert werden soll.“
Für Faesers designierten Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU), kommt die Entscheidung zu spät: Er wurde erst zwei Stunden vor Veröffentlichung informiert. Genauso der amtierende Kanzler Olaf Scholz, der voraussichtliche Kanzler Friedrich Merz (CDU), sowie SPD-Chef Lars Klingbeil.
Die Veröffentlichung hat auch Auswirkungen auf den Umgang mit der AfD und ihren Mitgliedern. Während die Parteiführung um Alice Weidel und Tino Chrupalla von politischer Verfolgung spricht, haben die Unions-geführten Bundesländer Hessen und Bayern angekündigt, zu prüfen, was mit Beamten, die in der AfD sind, geschehe. Das Einstufung als „extremistisch“ erlaubt zudem Überwachungsmaßnahmen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht nun „Anlaß zu prüfen, ob die AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann“.
Auch der Verfassungschutz wird nur kommissarisch geleitet
Brisant ist ebenfalls, daß das BfV wird derzeit nur kommissarisch von Sinan Selen geführt wird. Präsident Thomas Haldenwang hatte sich aus gesundheitlichen Gründen abgemeldet und für den Bundestag kandidiert. Unions-Politiker Dobrindt hätte als neuer Innenminister die Möglichkeit gehabt, gemeinsam mit einem neuen BfV-Präsidenten über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Dem griff Faeser vor.
Das Meinungsforschungsinstitut INSA fragte unterdessen, wie die Deutschen ein mögliches AfD-Verbote sehen. 48 Prozent der 1.001 Befragen sind eher dafür, 37 Prozent sprachen sich vom 2. bis zum 3. Mai eher dagegen aus. (mp)