Popstar der Meme-Szene, Kultfigur der Trump-Bewegung, rechtsextremes Haß-Symbol und sogar religiöser Heilsbringer, all das soll der harmlos dreinblickende Frosch namens Pepe angeblich sein. In diesem Jahr feiert die von dem US-amerikanischen Illustrator Matt Furie geschaffene Comic-Figur ihren 20. Geburtstag. Denn im Jahre des Herrn 2005 brachte der aus Columbus, Ohio, stammende Künstler erstmals sein Werk „Boy’s Club“ heraus.
Die Handlung des Comicbuchs drehte sich um vier „Jungs“, also eigentlich vier amphibienartige Comicfiguren, die zusammen in einer Wohngemeinschaft leben und – nach ihrem College-Abschluß – nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen. Die Chancen, daß Pepe einmal zu einem Helden der Linken werden würde, war in seiner Anfangsphase also im Grunde um einiges höher als die Wahrscheinlichkeit, daß der grüne Tagedieb einmal zum Ideal der politischen Rechten aufsteigen würde.
Seinen ersten Popularitätsschub verdankt Pepe der inzwischen weitgehend in Vergessenheit geratenen, in den frühen 2000er Jahren aber, vor allem unter Millennials, recht verbreiteten Social-Media-Plattform „MySpace“. Hier lud Furie die einzelnen Seiten seines „Boy’s Club“ -Buchs hoch und verschaffte sich und seinem Schaffen somit eine Öffentlichkeit, die weit über die klassische Comic-Nerd-Szene hinausging.
Das Pepe-Meme war geboren
Eine Seite seines Werks stach dabei besonders heraus. Auf dieser war Pepe zu sehen, wie er vor der WG-Toilettenschüssel stand und mit heruntergelassenen Hose sein kleines Geschäft verrichtete. Als er später von einem seiner Freunde nach den Motiven für das komplette Herunterlassen seiner Hose beim Im-Stehen-Pinkeln gefragt wurde, antwortete dieser nur mit einem lässigen: „feels good man“.
Dieses „Es fühlt sich gut an, Mann“, löste eine regelrechte Initialzündung aus. Zuerst wurde der Satz vor allem von anderen MySpace-Nutzern verwendet, die Fotos von sich aus dem Fitneß-Studio mit dem Pepe-Spruch versahen und diese mit ihren Freunden teilten. Bald schon rückten die Nutzer den Frosch aber wieder selbst in den Vordergrund, indem sie unzählige selbstkreierte Variationen des Comic-Helden posteten, in denen sie diesem eigene coole Sprüche in den Mund legten.
Das Pepe-Meme war geboren. Es dauerte nicht lange, bis auch Prominente, wie Katy Perry oder Nicki Minaj, auf den Zug mit dem zu dieser Zeit heißesten Scheiß des Internets aufsprangen und ebenfalls Pepe-Bilder über ihre Social-Media-Konten verbreiteten.
4chan nutzt den Frosch zur Provokation
Und dann kam 4chan … Die Memes um das neuzeitliche Manneken Pis, kamen von Anfang an vor allem auf diesem kontroversen „Imageboard“ gut an. Seine rebellische Attitüde war wie gemacht für die mit Vorliebe auf Provokation setzende Nutzerschaft des auf Anonymität ausgerichteten Forums. So wurde der Humor der Pepe-Memes in dem Forum im Laufe der Zeit auch immer düsterer und bisweilen für den Otto Normalverbraucher regelrecht verstörend.
Von rassistischen Karikaturen bis zu geschmacklosen Witzen über den 11. September erlaubte die 4chan-Community sich und ihrem Lieblingstier alles, was ihnen Spaß brachte und andere maximal empören sollte. Besonders Memes, die den Frosch in einem nationalsozialistischen Kontext zeigten, stillten das Bedürfnis der meist jugendlichen Forum-Gemeinde danach, die Normalbürger zu schockieren.
So verbreiteten sich im Netz bald Bilder, die den Frosch wahlweise als rechtsextremen Skinhead, Mitglied des Ku-Klux-Klans oder in, nun ja, „historischen“ Uniformen zeigten. Pepe war damit aber noch lange nicht am Ende.
Mit Trump bekam Pepe neuen Aufwind
Nicht nur, daß dem digitalen Amphibienwesen bald eine ganze Spaß-Religion, vergleichbar mit der des „Fliegenden Spaghettimonsters“ oder dem „Jediismus“, gewidmet wurde, er bekam sogar sein eigenes Land namens „Kekistan“ zugeschrieben. Kekistan leitet sich von dem Jugendwort „kek“ ab, das eine, vor allem unter Videospielern beliebte, aus dem Koreanischen stammende, Variante von „lol“, also „lautem Lachen“ darstellt. Die Darstellungsvarianten des Frosches wurden irgendwann derart divers, daß es im Netz geradezu zu einem „running gag“ wurde, möglichst „rare Pepes“ aufzuspüren.
Noch einmal ganz neuen Aufwind bekam der Pepe-Hype im Jahr 2016 mit dem Wahlkampf von Donald Trump. Die Anhänger des republikanischen Präsidentschaftskandidaten hatten den Regelbrecher aus dem Netz regelrecht zu ihrer Galionsfigur auserkoren. Die Parallelen zu dem mit allen Konventionen der Politischen Korrektheit brechenden New Yorker waren wohl einfach zu groß, um sie zu ignorieren. Das sah offenbar auch Trump selbst so und veröffentlichte auf seinem Twitter-Account ein Bild, das ihn als „Präsident Pepe“ zeigte.
Die Amphibie wurde zum Symbol des Bösen erklärt
Als dann auch noch ein 4chan-Nutzer eine Wahlkampfrede von Hillary Clinton mit einem „Pepe“-Zwischenruf „störte“, brach die Hölle der Empörung des linken Establishments endgültig los. Der Zeichentrickfrosch, den man einst noch selbst gefeiert hatte, wurde nun zur Ausgeburt des Bösen gemacht.
Jeder „Alt Right“-Aktivist, der sich Pepe ans Revers heftete, jedes noch so alte rechtsextreme Meme, jeder noch so an den Haaren herbeigezogene Vergleich zur Symbolik der Nationalsozialisten wurde ausgegraben, um zu beweisen, wessen Geistes Kind Trump und seine Wähler seien. Geholfen hat es, wie die Geschichte gezeigt hat, nichts. Der Frosch ist im Netz nach wie vor präsent.