BERLIN. Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hat das „bestenfalls halbherzige“ Bekenntnis von Union und SPD zur Wissenschaftsfreiheit kritisiert. „Wir begrüßen, daß ’als attraktives Zielland und sicherer Hafen der Wissenschaftsfreiheit für Forschende aus aller Welt‘ aufgestellt werden soll“, sagte Vorstandsmitglied Jan Barkmann mit Blick auf den neuen Koalitionsvertrag.
Allerdings verdeckten die Formulierungen im Koalitionsvertrag, „daß auch in Deutschland die Freiheit von Forschung und Lehre erheblich unter Druck“ stehe, führte der Professor von der Hochschule Darmstadt aus. Mehrere Studien hätten gezeigt, daß auch in Deutschland viele Forscher politisch als heikel geltende Themen nicht mehr beforschten. Viele Studenten wagten es nicht mehr, im Unterricht offen ihre Meinung auszudrücken. Einen „sicheren Hafen für die Wissenschaftsfreiheit“ stelle sich das Netzwerk anders vor.
Warnung vor politisch programmierter Wissenschaft
Besonders bedenklich sei der Trend, daß die Hochschulleitungen es nicht mehr durchgängig als ihre Pflicht ansähen, ihre Mitarbeiter vor politischen Angriffen der Studentenparlamente in Schutz zu nehmen. Letztlich bleibe der Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen schuldig.
Das Netzwerk kritisiert außerdem, daß im Koalitionsvertrag Aussagen zur Verbesserung der Grundausstattung der Professuren und Lehrstühle fehlten. Wer angemessen forschen wolle, könne kaum noch auf sichere Forschungsmittel zurückgreifen. Bereits durch die Ausgestaltung der Förderprogramme sei „einer politischen Programmierung der Wissenschaft Tür und Tor geöffnet“, merkte Barkmann an.
In ihrem Regierungspapier betonen Union und SPD, daß Förderentscheidungen „wissenschaftsgeleiteten Kriterien“ folgen müßten. Zudem werde man Deutschland „in Zeiten globaler Polarisierung als attraktives Zielland und sicherer Hafen der Wissenschaftsfreiheit für Forschende aus aller Welt“ erhalten.
Fall in Würzburg sorgte für Aufsehen
In den vergangenen Wochen hatte der Fall des Würzburger Professors Peter Hoeres und seines Mitarbeiters Benjamin Hasselhorn für mediale Aufmerksamkeit gesorgt und Fragen zum Stand der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland aufgeworfen. Die konservativen Historiker waren zum Ziel einer Kampagne linker Studenten geworden, die ihnen eine „neurechte Diskursverschiebung“ vorwarfen, ohne dies zu belegen.
Die Uni-Leitung stellte sich der Kampagne nicht entgegen. Vielmehr tauschte sie sich eng mit den Studenten aus. Erst als die bayerische Landesregierung intervenierte, stellte der Würzburger Uni-Präsident klar, daß an den von den Studenten erhobenen Vorwürfen nichts dran sei. Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit verurteilte die Kampagne in der vergangenen Woche.
Das Netzwerk ist im Februar 2021 mit einem Manifest an die Öffentlichkeit getreten. „Wir beobachten, daß die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll“, heißt es darin. „Hauptziel des Netzwerkes ist es, die Voraussetzungen freiheitlicher Forschung und Lehre an den Hochschulen zu verteidigen und zu stärken.“ Das Netzwerk listet auf seiner Website derzeit 757 Mitglieder. (ser)