WASHINGTON. Der deutsche Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, hat vor großen Veränderungen in der amerikanischen Politik nach dem bevorstehenden Machtwechsel gewarnt. Unter anderem in der Justiz und mit Blick auf die Meinungsfreiheit werde sich der Wind drehen, wenn Donald Trump wieder Präsident werde, zeigte er sich in einem durchgestochenen Papier an das Außenministerium besorgt.
Bei dem eigentlich geheimen Dokument, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, handelt es sich um einen sogenannten Drahtbericht mit dem Titel „Der US-Rechtsstaat unter Trump 2.0. Trumps Spielraum zur Neudefinition der verfassungsrechtlichen Ordnung“. Michaelis skizziert darin eine angebliche Agenda „der maximalen Disruption, des Aufbrechens etablierter politischer Ordnung und bürokratischer Strukturen“ des designierten Präsidenten, dessen Amtseinführung am Montag stattfindet. Die „Rachepläne“ des Republikaners bedeuteten „letztlich eine Neudefinition der verfassungsrechtlichen Ordnung“.
Trump habe Machtübernahme von langer Hand geplant
Trump plane angeblich, große Teile von Regierung und Justiz unter seine Kontrolle zu bringen. „Demokratische Grundprinzipien sowie checks and balances (Kontrolle und Ausgleich) werden weitestgehend ausgehebelt, Legislative, Gesetzesvollzug sowie Medien ihrer Unabhängigkeit beraubt und als politischer Arm mißbraucht, Big-Tech erhält Mitregierungsgewalt“, führte der Botschafter seine Befürchtungen aus. Er rechne mit einer „maximalen Machtkonzentration beim Präsidenten zulasten von Kongreß und Bundesstaaten“. Der 78jährige werde „Recht und Justiz nur akzeptieren, wenn es seinen Zwecken dient, und hierzu alle Mittel einsetzen“. Damit drohe eine „Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundsätze“.
Anders als bei Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 sei sein Vorhaben diesmal orchestrierter und von langer Hand durch Anwälte vorbereitet, um es „rechtlich wasserfest“ zu machen. Sein Team sei dabei bereit, auch juristische Schlupflöcher und Grauzonen zu nutzen. Die Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses scheine bislang offen dafür zu sein, „vieles zu dulden“. Die Demokraten sowie zivilgesellschaftliche Akteure und Medien bereiteten sich angeblich bereits auf Trumps Angriffe vor.
Deutscher Botschafter: Es geht nicht um Meinungsfreiheit
Anders als der Milliardär und sein Team propagierten, gehe es nicht um einen Kampf für echte Meinungsfreiheit. Ziel sei es vielmehr, die „Make America Great Again“-Ideologie gegen Kritik durchzusetzen. Eine Schlüsselrolle sieht Michaelis beim US-Supreme-Court. Der Oberste Gerichtshof werde künftig vermutlich zum Schauplatz für zahlreiche politische Streitigkeiten werden.
Weiter traue er Trump auch „außenpolitische Alleingänge“, den Ausstieg aus Verträgen und „konkrete militärische Entscheidungen“ zu.
Baerbock gibt Botschafter Rückendeckung
Mittlerweile hat sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der Sache zu Wort gemeldet. Sie gibt dem deutschen Botschafter Rückendeckung. Prognosen, worauf sich Deutschland einstellen müsse, seien nunmal seine Aufgabe. Sie ärgere sich aber darüber, daß das eigentlich geheime Dokument öffentlich geworden sei. Zu den von Michaelis skizzierten Szenarien sagte sie: „Wir haben den Sturm aufs Kapitol gesehen. Wir haben die Diskussion der Trump-Administration auf die Frage, was bedeutet das rechtsstaatlich, gesehen. Wir haben die Vorschläge zum Justizminister gesehen.“ Dennoch blieben die USA der wichtigste Partner der Bundesrepublik.
Das unterstrich auch das Außenministerium. „Die Amerikaner haben sich in einer demokratischen Wahl für Präsident Trump entschieden. Natürlich werden wir auch mit der neuen US-Administration im Interesse Deutschlands und Europas eng zusammenarbeiten.“ (zit)