WIESBADEN. Die Co-Vorsitzende der hessischen Grünen, Kathrin Anders, ist von ihrem Posten zurückgetreten. Am Montag gab Anders in einem an Parteimitglieder gerichteten Schreiben ihre Entscheidung „mit sofortiger Wirkung“ bekannt. Sie habe in den vergangenen Wochen erkannt, „daß innerhalb unserer Partei Strukturen existieren, die nicht immer den Prinzipien von Toleranz, Offenheit und Respekt entsprechen“, heißt es in dem Schreiben, das dem Spiegelvorliegt. „Entscheidungen werden häufig in kleinen Kreisen getroffen, wichtige Informationen bewußt zurückgehalten.“
Hintergrund ist ein seit mehreren Wochen andauernder Streit um zwei Auslandsreisen des grünen Co-Landeschefs Andreas Ewald. Im April dieses Jahres – wenige Wochen nach seiner Wahl zum Landesparteivorsitzenden – war Ewald auf Einladung einer Lobbyorganisation für deutsch-israelische Beziehungen in das nahöstliche Land geflogen. Im Juli flog er für drei Wochen auf Einladung des US-Konsulats in die Vereinigten Staaten. Nach der zweiten Reise nutzte der Grünen-Politiker das Angebot des Veranstalters, zwei Wochen Privaturlaub in den USA dranzuhängen.
Anders bemängelt fehlende Transparenz
Daran äußern mehrere hessische Grüne starke Kritik. Sie argumentieren, daß Reisen in diesem Wert – laut Kritikern mindestens 25.000 Euro – als Parteispenden deklariert werden müßten, sofern sie nicht von Ewald privat oder aus der Parteikasse finanziert wurden.
Die nun zurückgetretene Anders forderte zuletzt mehrfach eine umfassende Aufklärung der Vorgänge. Ende November bemängelte sie in einem Schreiben an andere Mitglieder des Landesvorstands, daß ihr wichtige Informationen zu der Sache vorenthalten würden. Auch die Parteibasis sei nicht ausreichend informiert worden.
Die Reisen seien eindeutig dienstlich gewesen. Weil Ewald aufgrund seiner Funktion als Landesvorsitzender eingeladen worden sei, hätten die Reisen der Bundestagsverwaltung als Parteispende gemeldet werden müssen, argumentiert Anders.
Hessische Grüne stehen vor wichtiger Mitgliederversammlung
Die hessische Landesgeschäftsstelle und die Landesschatzmeisterin der Grünen sehen das anders. Vor wenigen Tagen veröffentlichten sie ein Schreiben der hessischen Grünen an die Bundestagsverwaltung. Darin heißt es, Ewalds Reisen seien zwar vom Landesverband abgesegnet worden, jedoch seien diese nicht dienstlicher Natur. Der hessische Grünen-Chef habe daher weder Spesenabrechnungen bei seinem Landesverband eingereicht, noch habe er Interviews zu der Reise gegeben.
Anders widerspricht dieser Darstellung in ihrem Rücktrittsschreiben entschieden. Der Bundestagsverwaltung seien nicht alle notwendigen Unterlagen vorgelegt worden, es fehlten beispielsweise eine eindeutige Kostenaufstellung sowie Unterlagen zum Zweck der Reise. „Andreas Ewald hat diese Reisen als Landesvorsitzender absolviert. Sie nun als Privatsache abzutun, ist grotesk und widerspricht den Tatsachen.“
Am kommenden Wochenende werden die hessischen Grünen bei einer Landesmitgliederversammlung in Marburg eine Landesliste für Bundestagskandidaten beschließen. (st)