ESSEN. Der Industriekonzern Thyssenkrupp hat mitgeteilt, daß er bis zum Jahresende mit einem erheblichen finanziellen Verlust rechnet. Insgesamt sei der Umsatz um sieben Prozent zurückgegangen, gab das Unternehmen am Dienstag bekannt. Gegenüber dem Vorjahr entspreche das einem Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro.
Um die Finanzen aufzubessern, überlege das Unternehmen derzeit, mehrere Standorte zu schließen und insgesamt 450 Arbeitsplätze abzubauen. Zudem sei fest geplant, die Tochterfirma „Steel Europe“ an eine indisch-japanische Firma zu verkaufen, erklärte Thyssenkrupp.
Im Vorjahr war der Rückgang des Umsatzes noch dramatischer gewesen. Das Geschäftsjahr 2022/2023 habe mit einem Minus von 2,1 Milliarden Euro geendet. Damals machte das Unternehmen einen Umsatz von 37,5 Milliarden Euro. Im aktuellen Jahr waren es 35 Milliarden Euro.
Energiewende-Technologien bekommen weniger Aufträge
Verantwortlich für den Rückgang im aktuellen Jahr sei „eine deutlich schwächere Nachfrage aus wichtigen Kundenindustrien wie der Automobilindustrie, dem Maschinen- und Anlageanbau und der Bauwirtschaft“, die die Finanzen des Unternehmens „beeinträchtigt“ habe. Vor allem seien im laufenden Jahr deutlich weniger Aufträge eingegangen. Während der Bestellungseingang im vergangenen Geschäftsjahr bei mehr als 37 Milliarden Euro lag, waren es im laufenden Jahr weniger als 33 Milliarden Euro.
Von dem Auftragsschwund waren demnach etwa die Führungsgesellschaft „Steel Europe“, die Stahl herstellt, der Technik- und Infrastrukturdienstleister „Material Services“ und das Energiewende-Unternehmen „Decarbon Technologies“ betroffen. Einen leichten Zuwachs verbuchte hingegen „Marine Systems“, einen Technologieanbieter für U-Boote und Marineschiffe.
Eigenkapital von Thyssenkrupp sinkt um 18 Prozent
Der „Free Cash Flow“, also die Summe, die dem Unternehmen nach Abzug der Ausgaben und Investitionen zur freien Verfügung steht, lag im positiven Bereich. Mit 110 Milliarden Euro habe er sogar über dem zuvor prognostizierten Wert gelegen.
Das Eigenkapital sank von 12,7 Milliarden Euro auf 10,4 Milliarden. Das Kapital sank damit um etwa 18 Prozentpunkte.
Deutschland droht die Deindustrialisierung
Vergangene Woche beklagten insgesamt 41,5 Prozent aller deutschen Unternehmen einen Auftragsmangel. Dabei handelte es sich um den höchsten Wert seit der Weltwirtschaftskrise 2009. Der Leiter des Ifo-Instituts, Klaus Wohlrabe, merkte an, daß „kaum eine Branche verschont“ bleibe.
Im Juli und August ging zudem die Produktion im Produzierenden Gewerbe deutlich zurück, wie das Statistische Bundesamt im Oktober bekanntgab. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Produktion um 5,6 Prozent (Juli) und 2,7 Prozent (August).
Als Grund nannte das Institut unter anderem die Bürokratie. Durch einen Rückbau und die Umstellung auf digitale, internetbasierte Verwaltungsprozesse könne die deutsche Wirtschaft demzufolge 96 Milliarden Euro einsparen.
Produktion schrumpft um fast drei Prozent
Im Juli meldete das Statistische Bundesamt, daß die Wertschöpfung in den ersten sechs Monaten 2024 um 6,7 Prozent gesunken sei. Ebenso schrumpfte die reale und preisbereinigte Produktion im Vergleich zum Vormonat April 2024 um 2,5 Prozent.
Besonders betroffen sind davon die Automobilbranche und die Produktion im Maschinenbau. Auch das Verarbeitende Gewerbe verzeichnete Rückgänge. Von April 2024 auf Mai 2024 sank das saison- und kalenderbereinigte Niveau um 1,6 Prozentpunkte. Das geschah im fünften Monat in Folge. (lb)