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Buchrezension: Ramon Schacks „Zeitalter der Idiotie“: Europa links liegen lassen

Buchrezension: Ramon Schacks „Zeitalter der Idiotie“: Europa links liegen lassen

Buchrezension: Ramon Schacks „Zeitalter der Idiotie“: Europa links liegen lassen

DIESES FOTO WIRD VON DER RUSSISCHEN STAATSAGENTUR TASS ZUR VERFÜGUNG GESTELLT. [SÜDAFRIKA, JOHANNESBURG - 23. AUGUST 2023: Die Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (Brasilien), Xi Jinping (China), Cyril Ramaphosa (Südafrika), Indiens Premierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergej Lawrow (v.l.n.r.) posieren für ein Gruppenfoto während des 15. BRICS-Gipfels im Sandton Convention Centre. Pressedienst des russischen Außenministeriums/TASS]. Brasiliens Präsident Lula da Silva, Chinas Staatschef Xi Jinping, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, Indiens Primierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergei Lawrow (v.l.n.r.) beim Brics-Gipfel, Johannesburg 2023: Ohne Europa weitermachen. Überwinden sie die Idiotie der Europäer?
DIESES FOTO WIRD VON DER RUSSISCHEN STAATSAGENTUR TASS ZUR VERFÜGUNG GESTELLT. [SÜDAFRIKA, JOHANNESBURG - 23. AUGUST 2023: Die Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (Brasilien), Xi Jinping (China), Cyril Ramaphosa (Südafrika), Indiens Premierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergej Lawrow (v.l.n.r.) posieren für ein Gruppenfoto während des 15. BRICS-Gipfels im Sandton Convention Centre. Pressedienst des russischen Außenministeriums/TASS]. Brasiliens Präsident Lula da Silva, Chinas Staatschef Xi Jinping, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, Indiens Primierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergei Lawrow (v.l.n.r.) beim Brics-Gipfel, Johannesburg 2023: Ohne Europa weitermachen. Überwinden sie die Idiotie der Europäer?
Brasiliens Präsident Lula da Silva, Chinas Staatschef Xi Jinping, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, Indiens Primierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergei Lawrow (v.l.n.r.) beim Brics-Gipfel, Johannesburg 2023: Ohne Europa weitermachen
Buchrezension
 

Ramon Schacks „Zeitalter der Idiotie“: Europa links liegen lassen

Ramon Schack führt seine Leser über die Weltsichten des deutschen Haltungsjournalismus hinaus. Letztlich diagnostiziert er den europäischen Eliten ein fehlendes Verantwortungsbewußtsein für ihre Völker und die Welt. Mathias Lundeberger bespricht das Buch „Zeitalter der Idiotie“.
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Das im Eulenspiegel Verlag erschienene Buch des Journalisten Ramon Schack hält sich bei seinem Titel „Zeitalter der Idiotie – Wie Europa seine Zukunft verspielt“ nicht mit Halbheiten auf. Grundsätzlich stellt sich dabei allerdings schon die Frage, was das Thema ist – Weltpolitik, Weltsicht oder die Berichterstattung über beide Themen. Aber im Grunde spielen alle drei Themen im Verlauf des Buches zusammen.

Wer sich damit begnügt, die Welt durch seine ureigene Brille zu sehen, und jegliche abweichende Sichtweisen ausblendet, der wird irgendwann damit leben müssen, daß ihm wichtige Informationen hinsichtlich der Welt fehlen. Und er sollte darauf vorbereitet sein, daß zwischen ihm und der Welt ein Prozeß der Entfremdung einsetzt, der langfristig negative Folgen haben wird. Dieser Prozeß ist exakt die Entwicklung, die der Autor in seinem Buch für Europa und auch die USA skizziert.

Neue desinteressierte Eliten

Ramon Schack hat seinerzeit mit Scholl-Latour Gespräche geführt und sich vieles bei ihm abgeschaut. Vor allem aber lernte er von ihm: Um die Welt zu verstehen, muss man sie auch kennen, sie gesehen und mit den Menschen gesprochen haben.
Ramon Schack: „Das Zeitalter der Idiotie – Wie Europa seine Zukunft verspielt“. Das Neue Berlin, Berlin 2023, broschiert, 234 Seiten, 18 Euro. Jetzt im JF-Buchdienst bestellen.

Ramon Schack kann als Expertise für diese Schlußfolgerung auf eine lange Geschichte der politischen Berichterstattung für die verschiedensten Medien verweisen. Die Liste der Publikationen, in denen er veröffentlichte, schließt die Neue Zürcher Zeitung, die Süddeutsche Zeitung, Die Welt, die Berliner Zeitung, das Handelsblatt und auch das Neue Deutschland ein. Aus seiner dezidiert linken Weltsicht macht Schack dabei kein Geheimnis, aber er ist kein Mainstream-Linker, dessen eigene politische Grundhaltung unmittelbar in eine Abgrenzung gegenüber Meinungen übergeht, die seiner eigenen Meinung widersprechen. Ihn zeichnet weiterhin die Bereitschaft aus, mit Gesprächspartnern einen Austausch zu pflegen, der nicht durch Übereinstimmung geprägt ist.

Das Buch beginnt mit einer erschütternden Bestandsaufnahme der derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Kultur in Europa und den USA. Darauf folgt – etwas abrupt – eine Sammlung von Beobachtungen während der weltweiten Reisen des Autors der vergangenen zehn Jahre. Den Abschluß bildet – ebenso abrupt – eine bitterböse Abrechnung mit dem gesellschaftlichen Klima in Europa und den USA, das nach Ansicht des Autors in mehr oder weniger großem Maße durch eine Auseinanderentwicklung der gesellschaftlichen Gruppen innerhalb und außerhalb dieser Staaten gekennzeichnet ist, wobei speziell diejenigen, die sich als Eliten begreifen, überhaupt kein Interesse für die Befindlichkeiten der anderen gesellschaftlichen Gruppen zeigen. Und, um den Kreis zu schließen, dieses Desinteresse betrifft in noch viel stärkerem Maße alle anderen Kulturen außerhalb ihres Gesichtskreises.

Kontrapunkt zum deutschen Haltungsjournalismus

Interessant hierbei ist die Erzählweise von Schacks Beobachtungen aus dem In- und Ausland im Verlauf der vergangenen zehn Jahre, die das Zentrum des Buches bilden. Der Autor reist hierbei an so unterschiedliche Orte wie Negombo, Astana, Auckland, Cleveland, Quito, Hameln und Bad Oldesloe. Mit viel Einfühlungsvermögen geht Schack an fremde Kulturen heran und gibt ihnen eine Stimme. Er ist selbst als Erzähler zwar anwesend, nimmt sich aber doch sehr zurück und wertet vor allem dadurch, daß er Wertungen bewußt unterläßt. Er fragt eher, als daß er selbst kommentiert, und seine eigene Weltsicht steht nicht im Mittelpunkt. Er erwähnt ihm auffallende Inkonsistenzen in den Argumentationen seiner Gesprächspartner, aber er bindet sie seinen Gesprächspartnern nicht voller Sendungsbewußtsein auf die Nase. 

Hier zeigt sich die auch im Klappentext erwähnte Vorbildfunktion von Peter Scholl-Latour, des langjährigen Doyens der deutschen Auslandsberichterstattung, mit dem Roman Schack lange Gespräche führte, was er auch in seinem Buch „Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“ dokumentierte. Er sieht seine Aufgabe bei der Berichterstattung nicht im Wortführen, sondern vor allem im Zuhören und Herausfinden. Auf diese Weise macht der Autor einen definitiven Kontrapunkt zum Haltungsjournalismus der deutschen Medien, die im Normalfall ihre Narrative bereits fertiggestellt haben, bevor sie mit dem tatsächlichen Aufbau ihrer Geschichte beginnen, und er belegt das Wahrnehmungsdefizit seitens europäischer und US-Medien. Er überläßt es allerdings seinen Gesprächspartnern aus diesen Ländern, dies zu thematisieren.

Die Idiotie versteckt sich zwischen den Zeilen

Es braucht eine gewisse Zeit, um die Zusammenstellung des Titels mit dem Buch in Übereinstimmung zu bringen. Die Frage der Idiotie wird zwar bereits auf der ersten Seite durch eine Bemerkung zu unserer derzeitigen Außenministerin angesprochen, aber die damit verbundene Wertung entfaltet erst im Verlauf des Buches dessen ganze Breite.

Es wird klar, daß die europäischen Staaten und die USA sich aus der Sicht Schacks zwar weiterhin in einer weltweiten Führungsrolle sehen und diesen Anspruch auch selbstbewußt propagieren, wobei sie andererseits selbst nicht bemerken, daß sie diesem Führungsanspruch selbst nicht gerecht werden, weil sie nicht bereit sind, die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen. Es wird ebenfalls klar, daß die oftmals als alternativlos propagierten westlichen Werte im Zweifel auch vernachlässigt werden können, wenn wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt stehen.

Europa wird links liegen gelassen

Wie Europa seine Zukunft verspielt, im Hintergrund ist diese Frage stets präsent, und die Antwort lautet, daß Europa im Grunde dem Rest der Welt dasselbe Desinteresse entgegenbringt wie die selbst definierten Eliten in den europäischen Nationen, die eine als unmündig empfundene Masse im Zweifel von oben herab betrachten. Dies wird auf Dauer dazu führen, daß der Rest der Welt irgendwann ohne uns weitermachen wird, ist das Fazit des Autors. Die aktuelle Erweiterung der Brics-Staaten belege diese Entwicklung.

Das hätte man durchaus vorhersagen können, aber es stellt sich die Frage, ob man an dieser Kenntnis überhaupt interessiert ist. Schacks Bericht vom Astana International Forum im Juni dieses Jahres, bei dem er der einzige deutsche Medienvertreter war, während die deutsche Politik vollständig durch Abwesenheit glänzte, legt den Schluß nahe, daß dieses Interesse nicht allzu ausgeprägt ist.

JF 05/24

Brasiliens Präsident Lula da Silva, Chinas Staatschef Xi Jinping, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, Indiens Primierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergei Lawrow (v.l.n.r.) beim Brics-Gipfel, Johannesburg 2023: Ohne Europa weitermachen
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