LUXEMBURG. Staatenlose Palästinenser könnten in der Europäischen Union künftig einfacher einen Flüchtlingsstatus erhalten. Denn die Behörden müßten, so hat der Rechtsgutachter beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Nicholas Emiliou, argumentiert, auch die derzeitige Lage im Gazastreifen berücksichtigen. Zwar ist der EuGH nicht an Rechtsgutachten gebunden, folgt diesen in der Regel jedoch.
Hintergrund des Gutachtens sind zwei staatenlose Palästinenser, die im August 2022 in Bulgarien einen Antrag auf Asyl stellten. Sie stammen aus dem Gazastreifen und lebten in einem Schutzbereich des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Diesen Bereich mußten sie allerdings verlassen.
UNRWA-Schutzbereiche wohlmöglich nicht sicher
EU-Recht sieht vor, daß Staatenlose, die beim UNRWA gemeldet sind, kategorisch nicht anerkannt werden. Diese Regelung greift allerdings nur so lange, wie sich die Personen im Schutzbereich befinden beziehungsweise das UNRWA aktiv ist. Das Verwaltungsgericht Sofia wandte sich daher an den EuGH.
Die Behörden müßten laut Emiliou berücksichtigen, weshalb die Palästinenser den Schutzbereich verlassen haben und ob es ihnen überhaupt möglich sei, zurückzukehren.
Abschiebungen von Palästinensern möglicherweise verfassungswidrig
Mit Blick auf den Krieg zwischen der Hamas, die Gaza regiert, und Israel seit dem Überfall am 7. Oktober müßten „genaue und aktuelle Informationen“ herangezogen werden. Derzeit sei unklar, ob das UNRWA seinem Schutzauftrag nachkommen könne.
Asylanträge abzulehnen würde dann gegen die Würde des Menschen verstoßen, was nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen die EU-Grundrechtecharta verstoßen würde. Demnach könne man von den Palästinensern nicht im Einzelnen verlangen, ihre Betroffenheit zu beweisen.
Unter diesen Gesichtspunkten wäre es Palästinensern möglich, einen weiteren Asylantrag zu stellen, argumentierte Emiliou. Die Richter in Luxemburg sollen in einigen Monaten über den Fall entscheiden. (sv)