Der „Kommunistische Bund Westdeutschland“ (KBW) ging im Juni 1973 aus der im Herbst 1970 gegründeten „Kommunistischen Gruppe (Neues Rotes Forum) Mannheim-Heidelberg“ (KG/NRF), einer Nachfolgeorganisation des Heidelberger SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund), dem „Kommunistischen Bund Bremen“ (KBB) und weiteren kleineren regionalen Gruppen hervor. Der Autor dieses Artikels hat die Vorbereitungen der Gründung 1973 als 19jähriger Schüler in Heidelberg im Rahmen der Programmdiskussion miterlebt und die meisten Gründungsmitglieder persönlich gekannt.
Die Vorläuferorganisation KG/NRF Heidelberg hatte damals tatsächlich einen nicht geringen Einfluß auf die Lehrlings- und Schülerbewegung der unteren Rhein-Neckar Region. Regionale Zirkel gab in vielen kleineren Städten und sogar an einigen Schulen. Bereits 1972 fanden in diesen Zusammenschlüssen intensive Debatten um das „Programm der westdeutschen Kommunisten“ statt. Andere, bereits bestehende K-Gruppen (KPD/ML, KPD/AO, KABD, KB) waren in der Region nicht vertreten.
Mit dem Gründungsbeschluß am 12. Juni 1973 in Bremen gab sich der KBW ein Programm. Es beginnt mit dem Satz: „Die proletarische Weltrevolution ist als wissenschaftliche Voraussage zur Realität geworden.“ In der erstrebten Gesellschaft wird die „Diktatur des Proletariats“ herrschen. Mehr als die Hälfte des Programmtextes versteht sich als Anleitung zur Veränderung der Welt, durch eine von der Arbeiterklasse durchzuführende Weltrevolution. Theoretisch bezog man sich auf den Marxismus-Leninismus und die „Mao-Tse-tung-Ideen“. Letztere waren Werkzeug, „falsche Auffassungen im Kampf zweier Linien zu bekämpfen und zu beseitigen“. Fast alle Mitglieder waren begeisterte Anhänger der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“. In deren Greueltaten sah man ein notwendiges Mittel im Kampf gegen Ausbeutung, Imperialismus und innere Parteifeinde.
Der Kommunistische Bund hatte auch mit Repressionen zu kämpfen
Neben dem Warten auf die Weltrevolution war der KBW durchaus bereit, sich an den sozialen Bewegungen der Bundesrepublik zu beteiligen. Im „Demokratischen Kampf – ein Mittel zur Eroberung der politischen Macht“, so im Programm, waren zahlreiche sogenannte „demokratische Forderungen“ aufgelistet, die den Zweck hatten, den Staatsapparat zu schwächen und die „Volksmassen“ reif für die Revolution zu machen. Im Statut des KBW waren Mitgliedschaft und die sich daraus ergebenden Pflichten geregelt.
Ab Juli 1973 erschien das Zentralorgan Kommunistische Volkszeitung (KVZ) wöchentlich. In ihren besten Zeiten hatte sie eine Auflage von 20.000. Die KVZ wurde von Mitgliedern im Handverkauf vor Betrieben und Schulen, bei Demonstrationen und vor allem auch innerhalb der Bundeswehr verkauft. Kaum zu verstehen ist heute, daß die staatlichen Stellen und die politische Gegenseite relativ tolerant mit Lesern der Zeitung in Büros, Klassenzimmern und Kantinen der Bundeswehr umgingen. Man duldete oder übersah derartiges einfach.
Dies soll aber nicht heißen, daß KBWler nicht auch Repressionen ausgesetzt waren. Beispielhaft dafür steht hier Fritz Güde, der Sohn des Generalbundesanwalts Max Güde, der wegen Verkaufs der KVZ aus dem öffentlichen Dienst entlassen wurde. Berufsverbote und Kündigungen sind im staatlichen Dienst, weniger in der Wirtschaft vorgekommen.
Zwischen Abtreibung und Maoismus
Wo versuchte der Kommunistische Bund politisch in Erscheinung zu treten? Da ist vor allem die Bundeswehr zu nennen, wo er für alle Wehrpflichtigen die Fortzahlung der Löhne und die Wahl der Offiziere durch das Volk forderte. Die Bundeswehr sah man als Bündnispartner in den zukünftigen Kämpfen eines „allgemein bewaffneten Volkes“.
Ein weiteres großes Aktionsfeld war der „Kampf gegen den Paragraphen 218“. Die damalige aufkommende Forderung nach einer Fristenlösung wurde als kleinbürgerlich abgelehnt, man stellte die völlige Freigabe der Abtreibung dieser entgegen. Die ideologische Nähe zum Maoismus verlange bedingungslose Unterstützung weltweiter antiimperialistischer Befreiungskämpfe. Die ZANU in Simbabwe und der ANC in Südafrika waren Schwerpunkte. In permanenten Geldsammlungen hatten die „Genossen“ immense finanzielle Obolusse zu leisten. 1975 wurde Helga Rosenbaum für den KBW in den Heidelberger Gemeinderat gewählt. Als sie sich weigerte, eine Verpflichtungserklärung auf die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ abzugeben – und nach weiteren Störungen von Gemeinderatssitzungen –, wurde sie 1976 aus dem Stadtrat ausgeschlossen.
Viele KBWler machten bei den Grünen politische Karriere
Der KBW versuchte vehement auch in den Betrieben Einfluß zu gewinnen, konnte aber kaum Boden gutmachen, auch weil er von den dort herrschenden Gewerkschaften des DGB heftig bekämpft wurde. „Der restlose Abzug aller fremden Truppen aus Westdeutschland und der Austritt aus der Nato“ waren programmatisch festgeschrieben. Eine Wiedervereinigung Deutschlands war nie ein Thema, dagegen forderte man die „volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR“.
Wie in allen K-Gruppen waren auch beim KBW jede Menge Neurotiker und psychisch Gestörte zu finden, die unter massivem psychischem und finanziellem Druck der Kader zusammenbrachen. Selbst in persönlichen Beziehungen war revolutionäre Organisationstreue obligatorisch. Es gab Verbote von Beziehungen zu unpolitischen, bürgerlichen oder gar zu mit anderen K-Gruppen sympathisierenden Partnern. Leistungsdruck und Gruppenterror waren übliche Umgangsformen. Mehr und mehr Mitglieder gingen von der Fahne. Zwangsläufig löste sich der Kommunistische Bund im Februar 1985 auf.
Viele der Führungspersönlichkeiten sind später bei den Grünen gelandet, haben Karrieren in Politik und Staatsapparat gemacht, beispielhaft soll der ständige Erste Sekretär des KBW Joscha Schmierer genannt sein, den Joschka Fischer 1999 ins Auswärtige Amt holte. Auch die prominenten Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, Winfried Kretschmann, und Ralf Fücks, die Linkenpolitikerinnen Ursula Lötzer, Krista Sager oder die SPD-Ministerin Ulla Schmidt wurden im KBW politisch sozialisiert.