BERLIN. Seit Freitag ist öffentlich bekannt, daß Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zurücktreten möchte. Der Bundeskanzler dürfte von diesen Absichten länger wissen. Doch Olaf Scholz (SPD) scheitert bisher damit, einen Nachfolger vorzustellen.
Erschwerend kommt hinzu, daß Lambrecht sich mit der Amtsführung völlig überfordert zeigte und von Skandal zu Peinlichkeit tappte. Der Regierungschef hätte die Fehlbesetzung im Bendlerblock längst selbst austauschen müssen – zumal Deutschland durch Waffenlieferungen in den Ukraine-Krieg involviert ist. Doch bis heute zeigt sich Scholz völlig unvorbereitet, die entstandene Lücke zu füllen. Warum?
Scholz muß zwei Quoten einhalten
Durch Partei- und Regierungsarithmetik ist der Kanzler an Quoten gebunden. So muß Lambrechts Nachfolger eine Frau sein, falls Scholz nicht das Kabinett im größeren Stil umbesetzen will. Ein Mann dürfte nur dann Verteidigungsminister werden, wenn ein anderes männliches Kabinettsmitglied seinen Posten verliert und durch eine Frau ersetzt wird. Aber ein größeres Revirement bedeutet neue Kämpfe mit Quoten. Und wie dünn die Personaldecke ist, zeigt die wohl ernsthaft durchdachte Idee, die gescheiterte Andrea Nahles wieder zur Arbeitsministerin zu machen, damit Amtsinhaber Hubertus Heil Verteidigungsminister werden kann.
Zweites Problem: Der neue Verteidigungsminister muß Sozialdemokrat sein. Doch in der Partei sind Militärexperten rar gesät. Die 2020 ohne bemerkenswerte Fachkenntnisse zur Wehrbeauftragten ernannte SPD-Funktionärin Eva Högl gilt als nicht ministrabel. Obwohl beide Quoten genau auf die 54jährige Juristin zulaufen, zögert Scholz, sie zu ernennen. Er weiß, daß die Gefahr groß ist, mit einer weiteren unfähigen Politikerin vom Regen in die Traufe zu kommen.
Scholz wollte Lambrecht im Amt halten
Trotz der offensichtlichen Überforderung Lambrechts mit ihrem Amt soll Scholz vergangene Woche versucht haben, die zum Rücktritt fest entschlossene Ministerin umzustimmen. Aus der SPD heißt es, der Kanzler wollte sie mangels Alternativen unbedingt in der Bundesregierung halten. Nun weiß er nicht, wie er den vakanten Posten besetzen soll.
Doch die Zeit drängt, und dies könnte für einen übereilten Schnellschuß sorgen. Am Donnerstag wird US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu seinem Antrittsbesuch in Berlin erwartet, und am Freitag treffen sich die Verteidigungsminister der Ukraine-Unterstützerstaaten in Ramstein. Es wäre nicht schlecht, wenn Deutschland dort mit einem Verteidigungsminister vertreten wäre. (fh)