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Initiative „Laut gegen Nazis“: Ein totes trojanisches Pferd gegen Rechts

Initiative „Laut gegen Nazis“: Ein totes trojanisches Pferd gegen Rechts

Initiative „Laut gegen Nazis“: Ein totes trojanisches Pferd gegen Rechts

Rapper Smudo (links), Youtuber Philip Schlaffer (zweiter von rechts) und zwei Mitglieder der Fake-Band „HetzJaeger“ bei der Pressekonferenz der Initiative „Laut gegen Nazis“ zur Vorstellung des Projekts
Rapper Smudo (links), Youtuber Philip Schlaffer (zweiter von rechts) und zwei Mitglieder der Fake-Band „HetzJaeger“ bei der Pressekonferenz der Initiative „Laut gegen Nazis“ zur Vorstellung des Projekts
Rapper Smudo (links), Youtuber Philip Schlaffer (zweiter von rechts) und zwei Mitglieder der Fake-Band „HetzJaeger“ bei der Pressekonferenz der Initiative „Laut gegen Nazis“ zur Vorstellung des Projekts Foto: picture alliance/ Christian Charisius/dpa
Initiative „Laut gegen Nazis“
 

Ein totes trojanisches Pferd gegen Rechts

Die Hamburger Initiative „Laut gegen Nazis“ fordert von Streamingdiensten, konsequenter gegen rechte Bands vorzugehen. Mit einer aufwendigen Kampagne wollte die Gruppe beweisen, wie schnell sich einschlägige Musik dort verbreite, doch die Aktion war von Anfang an ein Reinfall. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Zur großen Kunst des politischen Marketings gehört es, Menschen eine Aktion, die sich als absoluter Flop erwiesen hat, als großen und wichtigen Erfolg zu verkaufen. Die Hamburger Initiative „Laut gegen Nazis“ wollte Streamingdiensten zeigen, wie leicht es angeblich sei, rechtsextreme Musik auf ihren Portalen zu plazieren. Dank der dort alles beherrschenden Algorithmen würde die Musik Nutzern in die sogenannte Timeline gespült und finde auf diesem Wege große Verbreitung.

Für ihre Mission hatten sich die Initiatoren des Projekts die vermeintlich rechtsextreme Rockband „HetzJaeger“ ausgedacht und ein aufwendiges Musikvideo produziert. Der Clip sollte von möglichst vielen Rechten, Rechtsradikalen und Rechtsextremen angeklickt werden – wobei die Verantwortlichen zwischen den Begriffen keine größere Unterscheidung treffen. Auf diese Weise sollte die Musik auch immer mehr Nutzern mit „ähnlichen Interessen“ vorgeschlagen werden, sodaß das selbstgeschriebene Lied „Kameraden“ nach und nach auch bei Leuten außerhalb der klassischen „Fan-Szene“ Gehör findet.

Aktion war bereits gestorben, bevor es überhaupt losging

Der Clou der Aktion sollte ein Wechsel in dem Song sein, bei dem sich erste anfängliche Rechtsrock-Klänge zu einer gerappten Botschaft gegen Rechts wandelten. So richtig funktioniert hat das Ganze nicht. Schon der Versuch, in einigen einschlägigen Foren und Telegram-Gruppen für den vermeintlichen neuen Stern am Rechtsrock-Himmel zu trommeln, scheiterten. Das Neulingen gegenüber äußert mißtrauische Klientel hatte den Braten früh gerochen und daher meist nicht einmal den kleinen Ausschnitt verbreitet, den die Kampagnenmacher vorab veröffentlicht hatten.

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Grund dafür war wohl unter anderem der Bandname „HetzJaeger“. So genial ihn die Initiatoren vermutlich auch fanden, der Zielgruppe scheint er von Anfang an verdächtig gewesen zu sein. Zudem waren sowohl der Song selbst, wie auch das dazugehörige Musikvideo weitaus professioneller gemacht, als man es in diesen Kreisen gewohnt ist. Egal was letztlich der ausschlaggebende Grund für das frühe Auffliegen der Fake-Band war: Die Aktion war damit bereits gestorben, bevor sie überhaupt so richtig begonnen hatte. Der Schockeffekt unter den Nutzern blieb weitestgehend aus.

Das hielt „Laut gegen Nazis“ allerdings nicht davon ab, die Forderung nach einem strengeren Vorgehen gegen rechtsextreme Musik auf Streamingportalen nun mit den Ergebnissen der in weiten Teilen gescheiterten Aktion zu untermauern. Spotify und Co. müßten „mehr Verantwortung übernehmen und menschenverachtende und rechtsextreme Inhalte prüfen und löschen“, sagte Musikmanager Jörn Menge, der die Initiative 2004 gegründet bei der Enthüllung der Kampagne. Die „HetzJaeger“-Kampagne wird von den Beteiligten, einschließlich der Musiker der falschen Band selbst, als Erfolg gewertet.

„Laut gegen Nazis“ liebäugelt mit linksextremen Bands

Mit linksextremistischer Musik hat man bei der Initiative derweil deutlich weniger Probleme und will mit Sicherheit nicht, daß diese aus dem Netz verschwindet. Im Gegenteil: Einige entsprechende Interpreten und Bands gehören zu den gern gesehenen Gästen bei Veranstaltungen von „Laut gegen Nazis“. So zum Beispiel die Berliner Hip-Hop-Formation „K.I.Z.“, deren Mitglieder in ihren Videos auch schon mal den ein oder anderen AfD-Politiker künstlerisch über die Klinge springen lassen.

An der Vorstellung des Projekts nahm neben dem Rapper Smudo auch der YouTuber Philip Schlaffer teil. Der Betreiber des Kanals „EX – Rechte Rotlicht Rocker“ war bei der Pressekonferenz die ambivalenteste und dadurch interessanteste Figur unter den Fürsprechern der Aktion. Schlaffer war nach eigenen Angaben einst eingefleischter Neonazi und damit Teil der rechtsextremen Szene. Später war er jahrelang im Rocker und Zuhälter-Milieu unterwegs. Als ehemaliger Großvertreiber vieler einschlägiger Bands ist er sowas wie ein Fachmann beim Thema Rechtsrock. Er selber habe sich „in jungen Jahren fast ausschließlich über Musik radikalisiert“, berichtete der bullige Mann aus Norddeutschland.

Aussteiger Philip Schlaffer ist von Kampagne begeistert

Heute engagiert er sich gemeinsam mit dem von der EU geförderten Verein „Extremislos“ gegen „jede Form von politischem und religiösem Extremismus“. Allerdings ist bei Schlaffer dennoch eine klare Schlagseite erkennbar. Während er bei der Antifa, gar nicht genug betonen kann, wie sehr man dort zwischen Extremisten und anständigen Antifaschisten unterscheiden müsse, servieren für ihn Anhänger der Identitären Bewegung und der Neuen Rechten, durchweg nur „alten Wein in neuen Schläuchen“.

Auch mit den zum Teil etwas fragwürdigen Verbindungen und Ansichten von „Laut gegen Nazis“ scheint der Ex-Skinhead keine Probleme zu haben. „Ich war und bin bis heute von der Kampagne begeistert.“ Er hat an dieser Stelle durchaus einen Punkt. Wie bei so vielem kann man auch bei Musik darüber streiten, ab welchem Alter sie Jugendlichen problemlos zugänglich sein sollte.

Auch ein politisch korrekter „Nanny-Staat“ sollte es seinen Bürgern spätestens mit der Volljährigkeit zugestehen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Selbst dann, wenn diese dämlich ausfallen.

Unausgesprochen Gemeintes soll für Löschung reichen

„Laut gegen Nazis“ und ihre Mitstreiter wollen in ihrem Kampf gegen Rechts aber offenbar vor allem eine linke Deutungshoheit darüber bewahren und ausweiten, was in Ordnung ist und was nicht. So fordern sie etwa, die Zensur über das, was auf dem Index steht oder verboten ist hinaus auszuweiten. Nach ihrem Wollen soll nicht nur das Gesungene oder Gesagte allein über den Verbleib von Künstlern auf den Streamingplattformen entscheiden, sondern auch das, was sie diese unausgesprochen „wirklich damit meinen“. Oder, um es noch klarer zu formulieren: Das, was nach der Ansicht von Schlaffer, „Laut gegen Nazis“ und Co. damit gemeint ist.

Daß eine derart willkürlich angewandte Form der Zensur und des Verbannens – ganz gleich von welcher Seite – die autoritäre Büchse der Pandora öffnet, sollte eigentlich jedem klar sein. Zumindest all denjenigen, für die der Begriff Freiheit nicht nur eine leere Worthülse zur Durchsetzung der eigenen Überzeugungen ist.

Rapper Smudo (links), Youtuber Philip Schlaffer (zweiter von rechts) und zwei Mitglieder der Fake-Band „HetzJaeger“ bei der Pressekonferenz der Initiative „Laut gegen Nazis“ zur Vorstellung des Projekts Foto: picture alliance/ Christian Charisius/dpa
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