Zunächst klang die Meldung lediglich wie eine Randnotiz: Wer sich in Zukunft einen Porsche kauft, muß mit nur einem Schlüssel auskommen. Der Grund dafür liegt laut dem Unternehmen an fehlenden Halbleiterchips.
Im ersten Quartal dieses Jahres lag der Lieferengpaß, was den wichtigen Rohstoff angeht, allein beim VW Konzern bei 100.000 Fahrzeugen. Bei den Mitbewerbern läuft es nicht besser. So mußte beispielsweise Opel auf die Herstellung von 190.000 Autos verzichten. In vielen Werken von Skoda, Mercedes oder BMW kommt es aufgrund des Mangels immer wieder zu Kurzarbeit.
40 Prozent aller Halbleiterchips, die hergestellt werden, benötigt die Automobilindustrie. Doch darüber hinaus finden sich in nahezu allen Geräten Mikrochips. In einer zunehmend digitalisierten Welt wird sich das Problem in Zukunft noch verschärfen. Experten gehen davon aus, daß sich die Krise bis ins Jahr 2023 ausdehnen wird. Dabei sind die Lieferengpässe in Teilen hausgemacht.
Politische Entscheidungen führen zu sinkendem Angebot
Mehr als die Hälfte der Chip-Hersteller produzieren in Asien. Als der rigide Lockdown Anfang 2020 in China die Weltwirtschaft wider Erwarten ausbremste, wurde auch die Produktion der Chips gedrosselt. Unternehmen stellten sich auf eine lange Rezession ein. Hinzu kamen Naturkatastrophen in Japan und Taiwan. Im Oktober 2020 verursachten ein Brand massive Schäden beim Chip-Hersteller Asahi Kasei Microdevices. Ähnliches passierte einen Monat später der Firma Unimicron Technology.
Ein wichtiger Aspekt des Angebotsabfalls liegt jedoch auch in geopolitischen Prozessen. So entschieden die USA, sich mit protektionistischen Maßnahmen wie Einfuhrzöllen und Blacklisting gegen das immer einflußreichere China zu wehren. So wurde der größte Chip-Produzent des Landes, Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC), Ende vergangenen Jahres auf die Schwarze Liste gesetzt. Heißt konkret: Der Firma wurde es untersagt, in den Vereinigten Staaten Geschäfte zu machen.
Lockdowns steigern die Nachfrage
Die Corona-Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft konnte niemand vorhersehen. Denn nicht nur das Angebot an Halbleiterchips verschob sich, sondern auch die Nachfrage. Lockdowns ließen den Bedarf an Laptops, Smartphones und Tablets ansteigen. Unternehmen statteten ihre Mitarbeiter für das Arbeiten von zu Hause aus. Sogar Schulen rüsteten sich – wenn auch behäbig – für digitale Herausforderungen. In jedem der Produkte stecken die ohnehin schon knappen Mikrochips.
Zudem kommt die Tatsache hinzu, daß vielen Privathaushalten mehr Geld als üblich zur Verfügung steht. Einige Geschäfte des Einzelhandels durften über Monate nicht öffnen. Gastronomie, Theater und Kinos ebenso wenig. Auch das Reisen wurde stark eingeschränkt. Dies hatte zur Folge, daß die finanziellen Möglichkeiten stiegen, sich zum Beispiel Produkte aus der Unterhaltungsindustrie zuzulegen. Dies spürte nicht zuletzt Sony, dessen Spielekonsole PlayStation immer wieder mit Lieferschwierigkeiten in die Schlagzeilen geriet.
Wichtiger Wirtschaftszweig ist bedroht
Senkung des Angebots und Steigerung der Nachfrage haben für den Konsumenten vor allem einen Effekt: Die Preise entsprechender Produkte steigen. In einer Zeit, in der immer noch mehr als eine Million Menschen Kurzarbeitergeld beziehen, dürfte das längerfristig zum Problem werden. Denn die Finanzreserven, die man in den Lockdowns möglicherweise angelegt hat, sind endlich. Eine protektionistische Politik der USA, aber auch der EU, verschärfen die Situation zusätzlich.
Klar ist: Die Automobilindustrie gehört zu den wichtigsten Industriezweigen Deutschlands. Sie ist ein Jobmotor und bringt dem Fiskus Steuern in Milliardenhöhe. Eine weitere Verschärfung der Krise könnte für die Unternehmen zum Problem werden. Auch wenn es viele Politiker nicht wahr haben wollen: Wenn es in Deutschland Firmen gibt, die jenseits des Landes beliebt sind und hoch qualifiziertes Personal, aber auch Investoren anziehen, dann sind es die Automobilmarken.
Ob Mercedes oder Volkswagen: Deutsche Autos sind sexy. Das sollte die Politik jenseits von Verbotsfantasien nicht vergessen und den Handel erleichtern. Außerdem sollte die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts gestärkt werden. Dann kann die Industrie auch den Mikrochip-Engpass überstehen.