Wer im Ruhrgebiet unterwegs ist, dem begegnen sie an vielen Ecken zwischen Dortmund und Wesel: die Trinkhallen. An den Kiosken mit ihrem umfangreichen Getränkeangebot sammeln sich Anwohner für ein Gespräch in lockerer Runde beim Bier. Ob Alltagssorgen, Fußball, Maloche oder die großen Themen der Welt, alles wird dort erörtert.
Akademisch gesprochen: „Trinkhallen mit bewährtem Sortiment bilden für ihre Stammkundschaft eine Plattform für den Austausch und die Integration insbesondere in urbanen Milieus“. So begründete die nordrhein-westfälischen Landesjury ihre Entscheidung, die Büdchen in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.
Auf diese Weise kommen mit Trinkhallen und Steigerlied zwei Markenzeichen des Ruhrgebiets zu kulturellen Weihen. In der ehemaligen Bergbauregion ist das Lied auch nach dem Ende der Kohleförderung noch präsent. So erklingt es regelmäßig bei den Heimspielen des Fußballclubs Schalke 04. Aber auch in anderen Städten es Reviers gehört es dazu.
„Trinkhalle ist soziale Haltestelle“
Treibende Kraft hinter der Anerkennung der Trinkhallen als Kulturerbe war Marie Enders, die sich mit ihnen für ihre Abschlußarbeit an der Hochschule Aachen befaßte. Da das Thema so ergiebig sei, will sie nun auch ihre Doktorarbeit darüber schreiben, berichtete der WDR. Dabei verfolge sie auch über die rein akademische Beschäftigung damit weitere Pläne. „Bislang gibt es keinen Dachverband und genau so etwas könnte die Buden in sichere nächste Jahrzehnte führen“, ist sie überzeugt. „Ich glaube, daß die Trinkhalle eine soziale Haltestelle im Revier ist.“
Stellvertretend für das Ruhrgebiet zeichnete sie am Mittwoch der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser (CDU) aus. „Sie haben mit ihren Vorschlägen das Augenmerk auf zwei besondere kulturelle Phänomene gelenkt, die in Nordrhein-Westfalen als lebendige und identitätsstiftende Traditionen fest verankert sind.“
Vor der Ernennung zum Immateriellen Kulturerbe gab es schon einen inoffiziellen Feiertag für die Trinkhallen. Am 20. August 2016 feierte man im Ruhrgebiet bereits den ersten Tag der Trinkhallen und wiederholte das zwei Jahre später.
Steigerlied hat überregionale Bedeutung
Daneben wurde diese Ehrung nun auch dem Steigerlied zuteil. Das demnach an Rhein und Ruhr „über den engeren Kontext des Bergbaus hinaus eine hohe identitätsstiftende Wirkung“ entfalte.
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Das Bergmannslied „Glück auf, der Steiger kommt“ hat nämlich in ganz Deutschland große Bedeutung. Auch im Erzgebirge wird es häufig gesungen, sowie einst in Schlesien. Zudem gilt das Stück aus dem 16. Jahrhundert als inoffizielle Hymne des Saarlandes, einer weiteren ehemaligen Montanregion; besonders in der Zwischenkriegszeit.
Mit Steigerlied und Trinkhalle gibt es nun ein Dutzend immaterielle Kulturgüter in NRW. Die beiden Neuzugänge stehen in einer Reihe mit dem Rheinischen Karneval und dem Schützenvereinswesen.
Vielleicht wird bekommt in zehn Jahren auch noch der Duisburger TV-Kommissar Horst Schimanski seinen Platz in der Sammlung. Dann feiert er seinen 50. Geburtstag.