Nur acht Prozent Wirksamkeit des Impfstoffes von Astra Zeneca bei älteren Patienten – diese Meldung sorgte jüngst trotz etlicher Dementi aus London und dem Unternehmen selbst für viel Wirbel. Allerdings wußte niemand, woher die zitierten Regierungskreise in Berlin diese Zahl bekommen hatten. Skeptiker, die schon lange die tendenziöse Berichterstattung beobachten, vermuteten beispielsweise, daß einfach mal schnell der Acht-Prozent-Anteil älterer Patienten in den Zulassungsstudien als Prozentsatz der Wirksamkeit übernommen wurde.
In der Tat scheint die Wirksamkeit der Vakzine bei Patienten über 65 Jahren unklar und die von der englischen Gesundheitsbehörde zugelassene Vakzine könnte schlimmstenfalls von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA am Freitag nicht für die vulnerable Altersgruppe zugelassen werden. Zudem steht Astra Zeneca massiv in der Kritik, weil es seine Lieferversprechen gegenüber der EU offenbar nicht einhalten kann.
In einigen Fachzeitschriften wird über Mängel in den öffentlich zugänglichen Zulassungsdokumenten der Vakzine AZD1222 der englischen Zulassungsbehörde MHRA berichtet. Die erste Panne des Konzerns ist wohlbekannt. In der britischen Zulassungsstudie wurde als Prime-Dosis irrtümlich nur die halbe Dosis (LD) der Vakzine AZD1222 gegeben, während die Studiengruppe in Brasilien protokollgemäß die Standarddosis (SD) bekam. Die Boost-Impfung (zweite Impfung) verlief dann jeweils mit der korrekten Dosis. Die Zweitimpfung sollte 28 Tage nach der Erstdosis verabreicht werden, aber laut dem MHRA-Dokument variierte der Zeitpunkt sehr stark.
Irritierende Testergebnisse
Irritierend ist, daß die Probanden mit der niedrigen Prime-Dosis und Standard-Boost-Dosis (LDSD) mehr Antikörper und möglicherweise einen deutlich besseren Schutz aufwiesen als diejenigen, die zwei Standarddosen (SDSD) bekommen hatten, und das obwohl das Dosisintervall hier zwölf Wochen im Vergleich zu fünf Wochen betrug.
Die Daten aus den insgesamt vier unterschiedlichen Zulassungsstudien wurden gepoolt, also zusammengelegt. Laut MHRA ist dieses Vorgehen durch das ähnliche Design der vier COV-Studien gerechtfertigt. Es zeigte sich eine Verhinderungsrate der virologisch bestätigten Covid-19-Erkrankung bei der Standard-Impfgruppe SDSD von 62,1 Prozent und in der LDSD-Gruppe von 90,05 Prozent. Weitere Störfaktoren waren laut MHRA Unterschiede bezüglich der unterschiedlichen Altersverteilung und ein vergleichsweise junger Altersmedian von 40 Jahren; die berühmten acht Prozent der Studienpopulation waren die Patienten zwischen 55 und 69 Jahren und nur vier Prozent waren 70 Jahre oder älter.
Die MHRA bemängelte, daß nur begrenzte Informationen zur Wirksamkeit älterer Probanden vorlägen, aber nichts auf einen mangelnden Schutz hindeute. Letztlich kam die britische Behörde zu dem Schluß, daß der Astra-Zeneca-Impfstoff nachweislich zur Vorbeugung von Covid-19 wirksam sei und die beobachteten Nebenwirkungen ähnlich wie bei anderen Impfstoffen seien.
Unter normalen Umständen nicht zugelassen
Man kann davon ausgehen daß unter normalen Umständen eine Zulassung bei dieser Datenlage eher nicht erteilt worden wäre. Das heißt aber auf der anderen Seite nicht, daß die Vakzine, wie in einigen Medien behauptet, unwirksam wäre. Aufgrund der ultrakurzen Entwicklungsdauer fehlen ausreichende Daten für die vulnerable Population der älteren Patienten, deren Schutzvorkehrungen in Deutschland vernachlässigt wurden. Ältere Menschen mit einem schwächeren Immunsystem reagieren häufig schwächer auf Impfstoffe, das wäre bei der Vakzine AZD1222 dann auch keine große Überraschung. Die kolportierte Acht-Prozent-Schlappe von Astra Zeneca scheint allerdings aber eher eine Fiktion aus der brodelnden Gerüchteküche zu sein.
Die in Europa unbewältigte Pandemie und der politische Druck werden der EMA die morgige Entscheidung zur Zulassung der Vakzine nicht leicht machen. Ein Indiz für die Entscheidung könnte indes die Empfehlung der Ständigen Impfkommission in Deutschland sein. Die gab am Donnerstag bekannt, daß sie den Astra-Zeneca-Impfstoff nur für unter 65jährige empfehle.