Die Grünen bringen die weitgehende Abschaffung der EEG-Umlage ins Gespräch. Zur Unterstützung von Selbständigen, mittelständischen Unternehmen sowie der Bürger sollte die Umlage um 5 Cent je Kilowattstunde gesenkt werden, fordern laut und wohlfeil dieser Tage die in der Versenkung der Corona-Krise verschwundenen Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck in der FAZ. Sänken die Strompreise, würden Elektroautos, Wärmepumpem oder Wasserstoffanwendungen wirtschaftlicher: die Wirtschaft bekäme einen Innovationsschub.
Man reibt sich verwundert die Augen. Auf den ersten Blick könnte man ja denken, die Grünen verstünden nach all den Kobolden in den Motoren doch etwas von Wirtschaft. Alle nötigen Schlagwörter wurden geschickt eingeflochten: Wirtschaftlichkeit, Innovationsschub und sinkende Strompreise. Sogar das Wohl des Mittelstandes und der Bürger scheint auf einmal wieder wichtiger für sie zu sein als das Klima oder die Natur.
Bis man dann am Ende begreift: Ihre schöne neue Welt, die sie so Vielen versprochen haben, ist nicht bezahlbar, wenn man nicht überbordend gute Steuerjahre, einen export- und beschäftigungsstarken Mittelstand, der schnell mit Innovationen weltweit auf den Markt kommen kann und einen funktionierenden Welthandel zur Voraussetzung hat, um dieses ganze gesellschaftliche Rokoko gutgläubig zu finanzieren.
Viele Unternehmer machten jahrelang an der Leistungsgrenze weiter
All die Institute und Lehrstühle, die gut davon gelebt haben, allen zu erklären und „nachzuweisen“, daß es nur mit vergiftet hohen Strompreisen und der EEG-Umlage gehen würde, mahnen jetzt mit hektischen Gesten, daß ihre Arbeit unverzichtbar sei und der Klimawandel keine Pause mache. Ja, die Veränderungen in der Natur machen keine Pause. Weder mit noch ohne EEG-Umlage. Aber der Wirtschaft ist die Puste ausgegangen. Nach Jahren derben Abschöpfens durch hohe Steuern, Beiträgen und Umlagen gehen jetzt viele Unternehmen in die Knie, weil sie jahrelang an der Leistungsgrenze weiter gemacht haben.
Wenn man über Jahre hinweg einen kontinuierlichen Aderlaß vollzieht, ist irgendwann auch der Stärkste blutleer. Und er kommt nicht davon wieder auf die Beine, daß man den Aderlaß etwas abschwächen will. Er braucht dringend neues Blut und die schädlichen Maßnahmen müssen generell als ungeeignet gestoppt werden. Da gibt es also in der deutschen Wirtschaft weniger Widerstandskraft oder Rücklagen, als man in der Politik wohl ganz allgemein vermutet hatte.
Die Wirtschaft war stolz darauf, trotz all dieser Begleitumstände der deutschen Politik und der immer wiederkehrenden Stresstests der Weltmärkte noch mithalten zu können. Die rot-grünen Vordenker verwechselten diesen Kampfgeist mit schmerbäuchigem Kapitalismus, weil die eigenen Ideologien zum Teil noch aus der Mottenkiste stammen. Am Ende wollen jetzt vielleicht aber auch die Grünen ganz einfach das Überleben derer aus Steuergeldern sichern, die ihre Ideen ideologisch stützen und sie gerne wählen.
Es geht um Liquidität
Wäre es ihnen wirklich um einen starken Mittelstand gegangen, wäre ihre Politik der vergangenen zehn Jahre seit der Finanzmarktkrise eine andere gewesen. Der Mittelstand wird von den Grünen zwar mitgenannt, aber eigentlich geht es um die vielen Solo-Selbständigen und Nichtregierungsorganisationen, die ganzen sogenannten Vorfeld – Organisationen und Influencer bis hin zu „Fridays for Future“, die die richtige Stimmung beziehungsweise Akzeptanz für grüne Politik schaffen sollen und oft genug von Steuergeldern leben oder aus ihnen finanziert werden. Wenn es wenigstens echte Reue wäre …
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft(BVMW) hat seit Wochen lautstark auf diese Umstände hingewiesen. Neben der Forderung, die EEG -Umlage auszusetzen, verlangte er zu Recht die sofortige und rückwirkende Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlages zum 1.1.2020, eine zeitnahe Erstattung des Kurzarbeitergeldes an Unternehmen, eine Vielzahl von Aufhebung bürokratischer Hürden bei der Kreditvergabe sowie steuerliche Erleichterungen.
Es geht um Liquidität. Nur wer liquide bleibt, übersteht diese selbst auferlegte Wirtschaftskrise. Anfangs schien selbst die Politik von links bis rechts völlig davon überrascht, wie zerbrechlich die deutsche Industrie und der Mittelstand sein können, wenn von staatlicher Seite aus eine Angebots- und dann auch Nachfragekrise ausgerufen wird. Da fehlt wohl in allen Parteien mehrheitlich ein grundlegendes Verständnis unserer Wirtschaftsabläufe und -abhängigkeiten. Das geht wohl nicht nur den Grünen so.
Zwei hochinteressante Ereignisse
Die Akzeptanz von Umweltschonung in der gesamten Bevölkerung ist in der Tat hoch. Andere Parteien, die das vernünftig aufgreifen, werden diesen gepflügten Acker sicher nutzen. Es ist auch sinnvoll, immer wieder zu Innovationen anzureizen. Außerdem wäre es mehr als sinnvoll gewesen, über eine weitestgehende wirtschaftliche Autarkie Deutschlands, gerne auch Europas, nachzudenken und diese voran zu treiben.
Aber jetzt ist der Schaden in der Volkswirtschaft angerichtet und er geht zu Recht mit den Grünen politisch nach Hause. Warum ist das so?
Erinnern wir uns: 1990 gab es zwei sehr kleine, aber in diesem Zusammenhang hochinteressante öffentliche Ereignisse: Zum einen gingen die Grünen (West) mit dem Slogan „Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter“ in den Wahlkampf. Dafür bekamen sie zur Bundestagswahl 4 Prozent und eine längere Nachdenkpause. Nur die Bürgerrechtler im Osten kamen über die Fünfprozenthürde und zogen in den Bundestag als Gruppe ein. Diesen Fehler wollen die Grünen jetzt, 30 Jahre später, nicht wieder machen, weshalb sie sich smarter geben. Aber es sind dieselben Grünen wie immer: links, moralisch autoritär, alle französischen Weinsorten korrekt aussprechend und die arbeitende Bevölkerung, die Handwerker und Mittelständler für dumpf, deutschtümelnd und zurückgeblieben haltend.
Das zweite kleine öffentliche Ereignis haben vielleicht nur Ostdeutsche wahrgenommen: Es gab eine Karikatur, die Karl Marx abbildete und mit dem lapidaren Spruch „Tut mir leid. War halt so eine Idee von mir“ den ganzen Spuk der herrschenden Ideologie der SED auf einer Seite Papier auf den Punkt brachte. Da stand auf tönernen ökonomischen Füßen, was mit viel moralisierender Verve und einem Staatsfunk künstlich lange am Leben erhalten worden war. Viele hier in Ostdeutschland haben inzwischen täglich ihre Déjà-vus. Vielleicht ergeht es den Grünen wie weiland der SED.
Der Mittelstand gerät unter die Räder
Seit der Finanzmarktkrise war vielen im Mittelstand klar, daß man sich für die Zukunft wird wappnen müssen, weil krisenhafte Zustände immer wieder kommen würden. Die Politik hat nach außen klug reagiert und behauptet, daß sie sparsam mit den Steuergeldern umgehe und keine neuen Schulden aufnehmen würde. Die schwarze Null sollte beruhigen, beruhte aber im wesentlichen auf einem niedrigen Ölpreis und niedrigen Zinsen. Auf Dauer eingespart wurde nichts.
Im Gegenteil, die dauerhaften konsumtiven Ausgaben wurden erhöht. Auf der anderen Seite wurden den Firmen weitere Gelder bei den Beiträgen und Umlagen abgezogen -– es fand ein ständiger Aderlaß unter den Umständen eines schärfer werdenden Konkurrenzdrucks im Welthandel statt. Der Standort Deutschland wurde zunehmend unrentabel und teuer. Und auf Europa-Ebene wurde Geld gedruckt als gäbe es kein Morgen, um im Wettbewerb um die Leit- oder Zweitwährung mit den USA und China mithalten zu können und schwache EU-Länder praktisch vom Markt zu nehmen.
Staatsgelenkte Volkswirtschaften oder kapitalistische Systeme ohne starke Sozialsysteme können das so machen. Ein Mittelstand, wie er in Mitteleuropa über Jahrhunderte gewachsen ist, gerät dabei unter die Räder.
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Antje Hermenau war von 1990 bis 2014 Landtags- sowie Bundestagsabgeordnete für die Grünen und trat 2015 nach 25 Jahren aus der Partei aus. Sie ist als Beraterin und als Beauftragte des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft im Freistaat Sachsen tätig.