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Corona-Quarantäne: „Es wirkt alles sehr unkoordiniert“

Corona-Quarantäne: „Es wirkt alles sehr unkoordiniert“

Corona-Quarantäne: „Es wirkt alles sehr unkoordiniert“

Coronatest
Coronatest
Cornateststelle in Berlin Foto: picture alliance/Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
Corona-Quarantäne
 

„Es wirkt alles sehr unkoordiniert“

Wie ist das Gesundheitssystem auf die Corona-Krise vorbereitet? Die JF sprach mit Michael Z. aus Berlin. Er ist ein sogenannter Verdachtsfall, da bei seiner Freundin, in einem Krankenhaus arbeitend, das Covid-19-Virus entdeckt wurde. Doch trotz einer Odyssee durch Warteschleifen und -schlangen wurde Z. immer noch nicht getestet. Den Behörden der Hauptstadt macht er schwere Vorwürfe.
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Wie ist das Gesundheitssystem auf die Corona-Krise vorbereitet? Die JF sprach mit Michael Z.* aus Berlin. Er ist ein sogenannter „Verdachtsfall“, da bei seiner Freundin, die in einem Krankenhaus arbeitet, das Covid-19-Virus entdeckt wurde. Doch trotz einer Odyssee durch Warteschleifen und -schlangen wurde Z. immer noch nicht getestet. Den Behörden der Hauptstadt macht er schwere Vorwürfe.

Herr Z., Sie vermuten, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben. Woran machen Sie das fest?

Meine Freundin erhielt ein positives Testergebnis. Sie ist an einem Krankenhaus tätig und die Belegschaft wurde getestet. In der Zwischenzeit habe ich sie gesehen und natürlich keinen Abstand gehalten.

Warum wurde Ihre Freundin nicht früher getestet und in Quarantäne geschickt?  

Meine Freundin und ich waren vor über einer Woche noch im Urlaub und entwickelten plötzlich beide im Urlaub Erkältungssymptome. Ein Test wurde bei ihr nach dem Urlaub nicht durchgeführt, da wir nicht in einem Risikogebiet, also etwa in China, dem Iran oder Italien waren. Dabei hatte sie ihre Vorgesetzten vor Dienstbeginn extra nochmal auf ihre Symptome hingewiesen. Da sie kein Fieber hatte oder in einem Risikogebiet war, sollte sie ausdrücklich zur Arbeit im Krankenhaus erscheinen.

Daten wurden nicht aufgenommen

Demnach ist ihre Freundin sehr wahrscheinlich infiziert noch im Krankenhaus arbeiten gewesen …

Das könnte gut sein, da ihr ja ein Test nach dem Urlaub verweigert wurde. Sie wurde erst Tage später aufgrund eines anderen Verdachtsfalls getestet.

Warum haben da bei keinem in diesem empfindlichen Bereich die Alarmglocken geklingelt?

Ich vermute aus Gesprächen mit Ärzten und Pflegekräften aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, daß das System hat, da die Krankenhäuser personell massiv unterbesetzt sind. Ähnliche Geschichten höre ich auch aus anderen Gegenden Deutschlands.

Weisen Sie selbst denn Symptome auf und wenn ja, welche? 

Mich plagt seit Tagen Hustenreiz, zwischendurch hatte ich etwas Fieber. Meine Freundin hatte ebenfalls Symptome, die man allerdings ebenso nur auf eine Erkältung zurückführen kann. Ob das auf Corona zurückzuführen ist oder eine normale Erkältung war, kann ich natürlich nicht sagen.

Haben Sie sich beim Gesundheitsamt oder einer anderen Stelle gemeldet? Wie haben die Ärzte dort reagiert?

Nach dem Test mußte das Ergebnis meiner Freundin an die zuständige Behörde und das Krankenhaus gemeldet werden. Sie befindet sich nun in Quarantäne. Sie hat mich dann sofort angerufen, sodaß ich die offizielle Hotline der Berliner Senatsverwaltung angerufen habe.

Nach etwa 40 Minuten in der Warteschleife teilte mir die Mitarbeiterin mit, ich solle die Gesundheitsverwaltung meines zuständigen Bezirks kontaktieren oder zu einer der zuständigen Teststellen der Berliner Krankenhäuser gehen – meine genauen Daten oder ähnliches wurden nicht aufgenommen.

Zweifel an Statistiken

Aber um Gewißheit zu haben …

Ich ging dann zur Teststelle des in meinem Bezirk zuständigen Krankenhauses. In der dortigen Schlange wurde außerhalb des Gebäudes nicht von Mitarbeitern selektiert, ob die Wartenden einen begründeten Verdacht haben oder nicht. Das hätte sicherlich die Wartezeit und die Arbeit für das Personal reduziert.

Irgendwann kam ein Mitarbeiter in Schutzbekleidung raus, um Zettel an die Wartenden zu verteilen, anhand derer man feststellen solle, ob man dort richtigerweise warten würde oder nicht. Ich sagte ihm, daß das bei mir der Fall sei, da ich mit einer nachweislich Infizierten direkten Kontakt hatte. Daraufhin meinte er, ich könne direkt nach Hause gehen und mich für zwei Wochen in Quarantäne begeben.

Es sei ja klar, daß ich das Virus hätte und dann müsse ich nicht drei Stunden in der Schlange für ein positives Testergebnis warten. Daraufhin ging ich nach Hause. Allerdings hatte niemand meine Daten zu diesem Zeitpunkt erfaßt. Daher zweifle ich die erhobenen Statistiken mittlerweile stark an, ich werde wohl kein Einzelfall gewesen sein.

Also wurden Sie gar nicht getestet?

Ich habe mich daraufhin beim für mich zuständigen Gesundheitsamt gemeldet und konnte noch am gleichen Tag mit einer Mitarbeiterin telefonieren, die eine Quarantäne für zwei Wochen für mich ausgesprochen hat. Ich gehöre ja zur Risikogruppe, da ich Kontakt zu einer Infizierten hatte. Jetzt heißt es abwarten.

Welchen Eindruck haben Sie von der Aufstellung Berlins für diesen Krisenfall?

Ich habe überhaupt keinen guten Eindruck. Es wirkte alles sehr unkoordiniert und wenn potenzielle Patienten ohne Erfassung der Daten aus der Warteschlange nach Hause geschickt werden, frage ich mich, wie die statistischen Erhebungen funktionieren sollen?

Diese sollen ja eine der Grundlagen für die Beobachtung der Pandemie bilden, um dann entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Hätte ich nach 40 Minuten in der Warteschleife mich nicht mehr beim zuständigen Gesundheitsamt gemeldet, würde keiner wissen, daß ich jetzt ein Verdachtsfall bin.

Dauer ungewiß

Aber stehen Sie nicht auch selbst in der Verantwortung? Es werden bereits seit Wochen größere Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. Warum sind Sie dennoch verreist?

Zum jetzigen Zeitpunkt mit meinem heutigen Wissen würde ich auch nicht mehr verreisen. Zum Zeitpunkt des Reiseantritts war das noch nicht absehbar und wir waren auch nicht in einem Risikogebiet. Im Nachgang hätte man aus meiner Sicht nicht nur für Risikogebiete Reisewarnungen aussprechen sollen. Außerdem könnte es sein, daß wir uns schon vor dem Urlaub angesteckt haben.

Wie lange sollen Sie nun zu Hause in Quarantäne bleiben und wie wird das kontrolliert?

Ich soll mindestens zwei Wochen in Quarantäne bleiben, sollte ich krank sein und weiterhin Symptome haben, kann diese verlängert werden. Wie das kontrolliert wird, kann ich gar nicht sagen. So wie ich die Berliner Behörden kennengelernt habe, rechne ich nicht mit täglichen Kontrollen an meiner Haustür. Allerdings werde ich natürlich schon aus Verantwortung gegenüber meinen Mitmenschen zu Hause bleiben und nicht ausprobieren, die Quarantäne zu umgehen.

Wie haben Sie und Ihre Freundin diese Lage mit Ihren Arbeitgebern geregelt? Ist der für eine solche Situation vorbereitet oder gibt es da Probleme? 

Bei meinem Arbeitgeber wurde aufgrund der aktuellen Situation eh bereits Home Office eingeführt, für mich ändert sich also nicht viel. Meine Freundin kann natürlich nicht im Krankenhaus arbeiten.

Soziale Kontakte fehlen

Haben Sie bereits im Vorfeld Lebensmittel eingekauft oder wie organisieren Sie nun Ihre Versorgung?

Das habe ich eh, um in der aktuellen Situation nicht zu oft auf die Straße gehen zu müssen. Ansonsten haben mir Freunde Hilfe angeboten, daß sie mir Lebensmittel vor die Tür stellen.

Fällt Ihnen die Decke schon auf den Kopf oder wie nutzen Sie diese verordnete Entschleunigung?

Die sozialen Kontakte fehlen mir wirklich sehr. Es ist traurig, wenn man seine Freunde nicht einfach treffen kann. Wir versuchen jetzt eher auf das Telefon oder soziale Medien auszuweichen. Das ist aber natürlich etwas völlig anderes als der direkte Kontakt. Aber besser als nichts. Ansonsten werde ich nun vermutlich einige Bücher lesen, die ich bisher noch nicht lesen konnte.

*(Name geändert, Anm. d. Redaktion)

Cornateststelle in Berlin Foto: picture alliance/Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
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