STETTIN. Zwei Jahre nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz hat der Cousin des polnischen Opfers schwerer Vorwürfe gegen die deutschen Behörden erhoben. Der Verlust seines nahen Angehörigen Lukasz U. sei nicht mit Geld abzugelten, sagte Ariel Zurawski der Nachrichtenagentur dpa. Sehr genau könne er aber den finanziellen Schaden beziffern, der durch das islamische Attentat entstanden sei.
Lukasz U. war das erste Opfer Anis Amris. Am 19. Dezember 2016 kidnappte der Tunesier den LKW des polnischen Unternehmers und raste damit in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Zuvor hatte er Lukasz U. mit einer Pistole erschossen. Der LKW mußte anschließend verschrottet werden. Für Zurawski entstand ein Schaden von mehr als 90.000 Euro. „Das ist für mich ein Haufen Geld“, klagte der Spediteur nun.
Nach dem Anschlag hätten ihn deshalb auch Existenzängste gequält. Inzwischen habe seine Firma mit Sitz in einem Ort südlich von Stettin den Verlust des LKW einigermaßen verwunden und sei finanziell über den Berg. Dennoch könne er nicht verstehen, warum Deutschland den ihm entstandenen Schaden nicht ersetze. „Ich will mich doch nicht bereichern“, versicherte Zurawski. Für ein wohlhabendes Land wie Deutschland müßte eine Entschädigung der Opfer eigentlich Ehrensache sein, meinte er. Erhalten habe er lediglich 10.000 Euro Schmerzensgeld.
Berlin verhielt sich „sehr unfein“ – Warschau bewilligte Spezialrente
Berlin habe sich „sehr unfein“ verhalten, was noch milde ausgedrückt sei, wie der Pole ergänzte. „Ich trage doch keine Schuld an dem Anschlag.“ Er fühle sich ungerecht behandelt „nur, weil ich Pole bin“. Die Regierung in Warschau habe ihn dagegen unterstützt. Sie übernahm ihm zufolge nicht nur die Überführungskosten des toten Cousins, bei dem Begräbnis war sogar Staatspräsident Andrzej Duda anwesend, während von deutscher Seite kein Vertreter kam. Die polnische Regierung bewilligte der Familie des Opfers eine Spezialrente.
Zurawski empört auch der Umgang mit dem Denkmal für die Terroropfer in Berlin. „Die Menschen laufen darauf rum“, sagte er über den vergoldeten Riß im Boden. Bei der Gedenkfeier für die Opfer im vergangenen Jahr habe er einen Zigarettenstummel darauf liegen sehen. In diesem Jahr will Zurawski seines verstorbenen Cousins und Mitarbeiters gemeinsam mit seinen Kollegenin Polen gedenken. „Wir werden mit den LKW vor den Friedhof fahren und ihm zu Ehren hupen.“
Derzeit klärt ein Untersuchungsausschuß, warum Amri von deutschen Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig festgenommen wurde. Der Tunesier war der Polizei als islamischer Gefährder bekannt. Auch polnische Behörden hatten Ermittlungen aufgenommen. (ls)