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Proteste, Krawalle und Festnahmen in Paris: Die Revolution nimmt eine kleine Atempause

Proteste, Krawalle und Festnahmen in Paris: Die Revolution nimmt eine kleine Atempause

Proteste, Krawalle und Festnahmen in Paris: Die Revolution nimmt eine kleine Atempause

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Von Gewalttätern abgegrenzt: Auch an diesem Samstag versammelten sich Tausende Demonstranten in gelben Westen auf den Pariser Champs-Elysees Foto: picture alliance / NurPhoto
Proteste, Krawalle und Festnahmen in Paris
 

Die Revolution nimmt eine kleine Atempause

Nachdem Polizei und Gendarmerie am vergangenen Samstag in Paris geradezu hilf- und vor allem führungslos den Krawallos nachgelaufen waren, waren sie diesmal besser vorbereitet. Schon im Vorfeld wurden Dutzende Personen festgenommen, die mit Gewaltaufrufen auffällig geworden waren. Dennoch kam es zu einigen Plünderungen und Barrikadenbau, mehr als hundert Verletzte wurden aus Paris gemeldet. Politisch ist die Regierung Macron erheblich angeschlagen. <>Ein Kommentar von Jürgen Liminski.<>
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Das Imperium schlug zurück. Nachdem Polizei und Gendarmerie am vergangenen Samstag in Paris geradezu hilf- und vor allem führungslos den Krawallos nachgelaufen waren oder zugeschaut hatten, waren sie diesmal besser vorbereitet. Schon im Vorfeld wurden Dutzende Personen festgenommen, die im Internet mit Gewaltaufrufen auffällig geworden waren, bei Kontrollen in mehreren Ringen um die symbolträchtige Innenstadt mit Triumphbogen und Champs-Élysées nahm die Polizei schon bis zum Nachmittag rund fünfhundert Personen in Gewahrsam, am Abend waren es dann insgesamt 974.

Mit 8.000 Mann waren fast doppelt so viel Sicherheitsbeamte aufmarschiert wie am „Schwarzen Samstag“ vor einer Woche. Diesmal waren auch ein Dutzend gepanzerte Fahrzeuge mit Baggerschaufeln sowie gepanzerte Wasserwerfer dabei, die die wenigen brennenden Barrikaden am Abend wegschoben und löschten. Erwartungsgemäß kam es bei Einbruch der Dunkelheit zu mehr Ausschreitungen und auch einigen kurzzeitigen Plünderungen. Aber die Polizei hatte, anders als am 1. Dezember, die Stadt unter Kontrolle.

Allgegenwärtige Polizeipräsenz und schnelles Durchgreifen

Paris glich tagsüber einer Geisterstadt, die meisten Händler, Geschäfte und Restaurants um die Nobelallee waren geschlossen, zum Teil sogar verbarrikadiert, der Umsatzverlust an diesem vorweihnachtlichen Wochenende wird auf eine Milliarde Euro geschätzt. 40 Metro-Stationen blieben gesperrt. Bis zum frühen Nachmittag gab es dreißig Leichtverletzte, zwei brennende Autos und kleinere Auseinandersetzungen, am Abend zählten die Krankenhäuser insgesamt 135 Verletzte. Vor einer Woche waren es doppelt so viel. Die Zahl der Demonstranten in Paris überstieg während des Tages nicht die zehntausend, in ganz Frankreich waren es nach Angaben des Innenministeriums 125.000, wobei die Polizeigewerkschaft von deutlich höheren Zahlen ausgeht.

Daß es in Paris diesmal nicht zu den befürchteten anarchischen Straßenschlachten kam, lag auch an den Gelbwesten selbst. Sie grenzten sich von den Chaoten ab, hinderten einige sogar daran, Autos oder Mülltonnen anzuzünden. Radikaleren Gelbwesten blieb nichts weiter übrig, als den Périphérique, die große Umgehungsautobahn, hier und da zu blockieren, indem sie sich einfach auf die Straße legten. Aber auch hier sorgte die Polizei schnell für Ordnung und weiter fließenden Verkehr.

Macrons Nimbus als Reformer ist dahin

Häufiger waren schon Szenen à la Mantes-la-Jolie. In diesem Ort hatte die Polizei am Donnerstag bei lautstarken und zum Teil erkennbar gewaltbereiten Schülerprotesten 140 Schüler festgehalten, sie auf die Knie gehen und die Hände hinter dem Nacken hochhalten lassen. Ein Schüler filmte die Szene und stellte sie ins Netz, was in dem ohnehin schon aufgeregten politischen Ambiente die Empörung noch steigerte. Diese Szene der Demütigung und Staatsgewalt wird nun in den Straßen von Paris oder auch in der Provinz häufig nachgespielt, man geht auf die Knie und verschränkt die Hände im Nacken.

Der Staat, der vor einer Woche versagt hatte, ging auf Nummer sicher. Aber damit erfüllte er nur eine, wenn auch die primäre Funktion des Staates: für Sicherheit sorgen. Politisch allerdings ist die Regierung Macron auch nach diesem Wochenende weiterhin im Dilemma. Entweder sie gibt dem Volk nach und verzichtet auf Reformen und damit auf die Rolle des Musterschülers in Europa, oder sie beläßt es bei der Rücknahme einiger Reformen und begnügt sich mit der Verwaltung der Mängel. Es ist jedenfalls kaum zu sehen, wie Macron seinen Nimbus als Reformer in Frankreich und Europa retten kann. Seine Glaubwürdigkeit ist dahin.

Überraschende Maßnahmen in der kommenden Woche?

Denn eins hat auch dieses Wochenende deutlich gemacht: Man glaubt Macron nicht mehr, daß es ihm um das Wohl des Volkes geht. Man hält ihn für einen Schauspieler. Talleyrand bemerkte einmal, man könne als Politiker Niederlagen erleiden und sich wieder aufrichten, aber wer durch Fehler seine Glaubwürdigkeit verliere, der verliere auch die Fähigkeit zur Führung.

Macron hat viele Fehler gemacht und vor allem den Zeitpunkt verpaßt, zum Volk zu sprechen und Fehler einzuräumen. Aus Kreisen seiner Berater wird nun kolportiert, daß er Anfang der Woche überraschende Maßnahmen verkünden werde. Die Franzosen, die trotz der Gewalt die Bewegung der Gelbwesten nach wie vor massiv unterstützen, warten schon lange darauf.

Von Gewalttätern abgegrenzt: Auch an diesem Samstag versammelten sich Tausende Demonstranten in gelben Westen auf den Pariser Champs-Elysees Foto: picture alliance / NurPhoto
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