Zur Verteidigung des politischen Status quo gegen angebliche „Extremisten von rechts“ ist den Altparteien jedes Mittel recht. Eines der tückischsten ist die Verdachtsberichterstattung des Verfassungsschutzes (VS). Politiker von der Linkspartei bis zur CSU möchten den VS lieber heute als morgen gegen die AfD in Stellung bringen. Im rot-rot-grün regierten Thüringen wird die Beobachtung der Partei bereits geprüft. In Bremen und Niedersachsen hat man den AfD-Nachwuchs ins Visier genommen.
Der renommierte Freiburger Verfassungsrechtler und Grundgesetz-Kommentator Dietrich Murswiek hatte die Drohung mit dem VS schon vor Jahren in dem Aufsatz „Verfassungsschutz-Mitarbeit als staatsbürgerliche Obliegenheit?“ (abgedruckt in der Gedächtnisschrift „Iustitia et Pax“ für den 2005 verstorbenen Völkerrechtler Dieter Blumenwitz, Duncker & Humblot, Berlin 2008, S. 901-925) analysiert und verworfen. Bereits der Titel, der die moderne Verwaltungssprache mit dem Vokabular des Obrigkeitsstaates kombiniert, verwies auf die gefährliche Qualität des Vorgangs.
Lust am Stalking Andersdenkender
Der Verfassungsschutz bekämpft vermeintliche und tatsächliche Verfassungsfeinde durch die Auflistung im Verfassungsschutzbericht, mit der er sie „an den Schandpfahl der aufgeklärten demokratischen Gesellschaft“ nagelt. Zweitens will er ihre „Ausgrenzung“ durchsetzen, um sie daran zu hindern, für ihre Ziele zu werben, ihre Meinung zu verbreiten und Anhänger zu gewinnen.
Nun ist der VS keine Tafelrunde erleuchteter Weltgeister, sondern er folgt politischen Interessen und Vorgaben. In den genannten Bundesländern kämpfen eine sterbende Volkspartei und eine außer Dienst gestellte Heimatpartei (Ost) um ihre Pfründe und mißbrauchen den VS, um einen neuen Konkurrenten niederzuhalten. An der Spitze des Thüringer Verfassungsschutzes steht seit 2015 Stephan J. Kramer, den die rot-rot-grüne Landesregierung trotz Zweifel an seiner Qualifikation – erst 2015, mit 47 Jahren, erlangte er einen Masterabschluß als Sozialpädagoge – installierte: Ein Wichtigtuer vor dem Herrn, der einst als Generalsekretär des Zentralrats der Juden seiner Lust am Stalking Andersdenkender freien Lauf gelassen hatte.
Nun kann das Staatsorgan die Ausgrenzung nicht vollständig leisten, dazu muß die Zivilgesellschaft in Aktion treten. Murswiek: „Es bedarf der Mitwirkung der Gastwirte, die keine Versammlungslokale an Extremisten vermieten sollen, der Mitwirkung der Druckereien, die keine extremistischen Plakate drucken sollen, ja der Mitwirkung jedes Einzelnen, der nicht an Versammlungen und Demonstrationen von Extremisten teilnehmen soll.“
„Verdachtskaskaden“
Es gibt jedoch noch immer Bürger, die der Erwartung des Verfassungsschutzes nicht entsprechen – sei es, weil sie den vormundschaftlichen Staat prinzipiell ablehnen oder weil sie den „Extremismusbegriff“ für uferlos, für mißbräuchlich, für einen (linken) Kampfbegriff halten. Andere benötigen einfach die Saalmiete oder sind gänzlich unpolitisch. Durch ihre Nichtbeteiligung an der Ausgrenzung laufen sie Gefahr, als „Extremist durch Unterlassung“ ebenfalls im VS-Bericht aufgeführt zu werden. So entstehen regelrechte „Verdachtskaskaden“.
Beim Nachzeichnen extremistischer Querverbindungen sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Die Willkür des Verfahrens zeigt sich auch daran, daß es fast ausschließlich gegen Bürger rechts der Mitte angewandt wird. Die Praxis wurde übrigens nicht vom Verfassungsschutz erfunden, sondern Anfang der neunziger Jahre von allen etablierten Parteien, von der CDU bis zur PDS, eingefordert.
Der Faden, den Murswiek einem in die Hand gibt, läßt sich weiterspinnen. Die Ausgrenzung ist nur effektiv, wenn das Extremismus-Stigma immer wieder neu ins öffentliche Bewußtsein gehoben und seine Beachtung flächendeckend kontrolliert wird. Für letzteren Zweck wurde in der DDR eine große Anzahl „Informeller Mitarbeiter“ (IMs) rekrutiert. In der Bundesrepublik treten neben den Medien die alimentierten Netzwerke „gegen Rechts“ sowie die Antifa in Aktion.
Tschekistische Instinkte
Unter Justizminister Heiko Maas (SPD) ist die Amadeu-Antonio-Stiftung unter der ehemaligen Stasi-Zuträgerin Anetta Kahane (IM „Victoria“) in eine halboffizielle Schlüsselposition gerückt. Kahane kann ihre tschekistischen Instinkte, die in der DDR bloß im Verborgenen blühten, dank der Wiedervereinigung nun öffentlich ausleben. Eine Ahnung von ihren destruktiven, gleichwohl für staatspolitisch wertvoll eingeschätzten Charakterzügen vermittelt ihr Text „Kulturkampf der Gegenwart“.
In wenigen Zeilen hat sie 27mal das Wort „Haß“ beziehungsweise „hassen“ untergebracht. Ein Auszug: „Das ist eine weitere Spezialität des Menschen, die ihn von Tieren unterscheidet: Er haßt wirr um sich herum und weiß oft nicht, weshalb und wen er aus welchen Gründen damit treffen will. Dabei zieht er ganze Gruppen von Menschen in den Dreck, diffamiert, beschimpft und bedroht sie. Und weil Haß sich niemals verbraucht, nie aufhört oder von allein verschwindet, macht er immer so weiter, genau wie ein Tier, das zwar keinen Haß kennt, aber seinen Reflexen ausgeliefert ist.
Menschen also, in denen ein tiefer Haß brennt, dessen eigentliche Ursache sie aber nicht verstehen wollen, sind am Ende dieser Kette eher animalisch als human.“ Man ist versucht, die Keule hervorzuholen, die Kahane oft, gern und siegesbewußt schwingt, und ihr mit Adorno zu antworten: „Auschwitz beginnt da, wo sich einer hinstellt und sagt: ‘Das sind doch nur Tiere’.“ Andererseits macht ihr Fanatismus sie zur bedauernswerten Karikatur, die an den KGB-Drachen Rosa Klebb aus dem Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ erinnert.
Sozialstaatlicher Sündenfall
Ausgrenzung (Exklusion) bedeutet, daß dem Delinquenten die politische und soziale Teilhabe entzogen und er friedlos gemacht wird. Im Fall von Arbeitslosen, Hartz-IV-Empfängern usw. wird die Exklusion wegen der physischen und psychischen Schäden, die die Betreffenden erleiden, als sozialstaatlicher Sündenfall angeprangert. Bei politisch Mißliebigen sind solche Schäden ausdrücklich beabsichtigt oder werden als Erpressungspotential einkalkuliert.
So zuletzt bei der Philosophin Caroline Sommerfeld. Zwei ihrer Kinder mußten unter Tränen ihre Waldorfschule verlassen, weil die Mutter sich nach Meinung wachsamer und engagierter Zeitgenossen zu weit rechts positioniert hat. Einer SPD-Frau wurde von ihren Genossen zur Scheidung geraten, weil ihr Ehemann sich bei der AfD betätigt. Auch werfen besorgte Demokraten immer wieder die Frage auf, ob es dem demokratischen Staat zuzumuten sei, Extremisten das Studium zu finanzieren und damit zu ihrer intellektuellen Aufrüstung beizutragen.
Ausgrenzung zielt auf Isolation, auf einen massiven Eingriff in die Persönlichkeit bis hin zu deren Zerstörung. Ihren aktuellen Exekutoren müßte bekannt sein, daß die Zerstörung bzw. „Zersetzung“ politischer Feinde ein erklärtes Ziel der Staatssicherheit war.
„Maßnahmen zur Isolierung und Verunsicherung“
Der Schriftsteller und DDR-Bürgerrechtler Jürgen Fuchs (1950-1999) hat in seinem Dokumentar-Roman „Magdalena“ (die Stasi-Zentrale befand sich in der Magdalenenstraße in Ost-Berlin) aus Arbeitspapieren des Mielke-Ministeriums zitiert, die Überlegungen zu „operativen Maßnahmen zur Unterbindung und Einschränkung“ von „öffentlichkeitswirksamen Feindhandlungen“ bzw. „negativ-feindlichen Aktivitäten“ enthalten.
Der zentrale Punkt sind „Maßnahmen zur Isolierung und Verunsicherung“. Durch „Eingriffe in das persönliche Leben oder die berufliche Tätigkeit der verdächtigten Person“ soll diese „kompromittiert und unglaubwürdig“ gemacht, „von ihrem Umgangskreis weiter isoliert“ und gezwungen werden, „sich künftig nur noch mit sich selbst und familiären Problemen zu befassen“.
Auf solche Parallelen angesprochen, würden VS-Leute und ihre politischen Auftraggeber ähnlich antworten wie seinerzeit Stasi-Mitarbeiter und Parteifunktionäre auf den Vorwurf struktureller Ähnlichkeiten zwischen dem SED- und dem NS-Staat: Ja, aber die Ziele seien doch völlig andere!
Entscheidend sind jedoch keine Ziel-Proklamationen, sondern die Strukturen, die durch solche Maßnahmen erzeugt werden, sowie die Eigenschaften und sozialen Verhaltensweisen, die sich herausbilden. Staatlich generiertes Mucker- und Denunziantentum, Furcht und politische Erpressung sind keine Kennzeichen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sondern Symptome ihrer Zerstörung. Aus dieser Erkenntnis läßt sich Kraft zum Widerstehen schöpfen.