STUTTGART. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner hat auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen die Bildung einer Minderheitsregierung als Alternative zur großen Koalition ins Spiel gebracht. „Eine Minderheitsregierung könnte sich für eine gewisse Phase als Vorteil erweisen“, betonte der 39jährige in der voll besetzten Stuttgarter Opernhalle.
Die sei jedoch „unbequem“. „Denn dann müßte Frau Merkel ins Parlament kommen und ihre Politik erstmal erklären. Dazu müßte sie aber erstmal eine eigene Meinung haben“, sagte Lindner. Auch vor der „zweiten Alternative“ zur großen Koalition, einer Neuwahl, fürchte sich die FDP nicht.
Kein neuer Anlauf zu einer Jamaika-Koalition
Spekulationen über eine erneute Aufnahme von Gesprächen über eine Jamaika-Koalition erteilte er dagegen eine deutliche Absage. „Wir sind nicht die Steigbügelhalter für andere“, erklärte er unter dem starken Beifall seiner Parteianhänger. Jamaika sei von den Medien zu einem „politischen Sehnsuchtsort“ verklärt worden.
Grundsätzlich sei die FDP bereit, Verantwortung zu übernehmen. Allerdings nur, wenn damit auch ein Politikwechsel ermöglicht werde. Der jedoch sei unter Angela Merkel nicht zu erkennen gewesen. Vielmehr habe sich bei der FDP-Führung der Eindruck verfestigt, daß die Merkel-Union ihren 2013 geplatzten Traum von einer schwarz-grünen Koalition mit der FDP als leider notwendigen Mehrheitsbeschaffer endlich habe umsetzen wollen. Während der Sondierungsgespräche sei nicht Çem Özdemir sondern Jürgen Trittin der eigentliche „Verhandlungsführer“ der Grünen gewesen, dessen linksradikale Vorstellungen in einen Koalitionsvertrag maßgeblich mit eingeflossen wären.
„Als Liberale dürfen wir einer solchen Haltung nicht zur Macht verhelfen“, erklärte Lindner unter dem Jubel und rhythmischem Beifall seiner Zuhörer. „Unser Nein war ein konstruktives Nein.“ Er würde seiner Partei jederzeit empfehlen, erneut so zu verfahren. Dann allerdings ohne ständigem Posieren auf dem Balkon und ohne dem Aufschreiben von Themen, bei denen man sich ohnehin nicht einig sei.
Keine Zukunft mit Merkel
Kritik am Ausstieg aus den Sondierungsgesprächen wies er zurück. „Es gibt nicht nur die Pflicht zum Kompromiß, sondern auch die Pflicht zur Kontroverse unter Demokraten.“ Mit Angela Merkel als Kanzlerin sei das Land nicht zukunftsfähig zu machen, vielmehr stehe die Kanzlerin für bloßen Machterhalt und „Status-Quo.“
Wer diesen Status Quo überwinden wolle, der dürfe sich nicht am Applaus des Tages orientieren. „Man kann ein Land überfordern, aber man kann es auch mit Ambitionslosigkeit unterfordern, kritisiert der FDP-Chef die Kanzlerin. Unter ihrer Vorsitzenden sei die CDU keine konservative Partei mehr. Die FDP hingegen habe sich befreit von der „taktischen Abhängigkeit anderer Parteien“.
Die von Medien und anderen Parteien geäußerte Kritik, unter ihm verkomme die FDP zur „One-Man-Show“, begegnet Lindner mit Humor. „Auf unsere Zeit in der außerparlamentarischen Opposition bezogen kann ich dazu nur sagen: „Lieber One-Man-Show als No-Man-Show“ (ro).