BERLIN. Bei den Ermittlungen gegen den Attentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri, hat es ein weiteres Versäumnis der Sicherheitsbehörden gegeben. Eine Flüchtlingshelferin, die sich zeitweise um Amri gekümmert hatte, war nicht von den Fahndern, die den Islamisten frühzeitig im Visier hatten, befragt worden. Und das, obwohl sie von der Frau wußten und diese aufschlußreiche Informationen über Amri hätte geben könne.
Die Frau meldete sich zwei Tage nach dem Anschlag bei der Polizei, weil sie Amri auf Fahndungsbildern erkannt hatte, berichtet die Berliner Zeitung. Sie gab an, daß sie sich 2015 ehrenamtlich in einer Flüchtlingsunterkunft engagiert habe. „Ich war damals ein bißchen blind. Wir wollten bei den Flüchtlingen helfen“, zitiert die Zeitung aus dem Vernehmungsprotokoll des polizeilichen Staatsschutzes.
Amri fand Homosexualität abstoßend
Ende 2015 habe die Musikerin Amri kennengelernt. Sie traf sich mit ihm auf dem Alexanderplatz und bei sich zuhause. Dort hätte er ihr erzählt, daß er mehrere Identitäten verwende und in einem Restaurant arbeite. Zudem habe sich Amri streng religiös gezeigt, ihr Bücher über den Islam geschenkt und mehrmals am Tag gebetet.
Ihre Ansichten über Religion habe er abgelehnt. Ebenso gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Homosexualität. „Er fand sie abstoßend und falsch.“ Amri erzählte der Frau, er würde sie gern nach islamischem Ritus heiraten, was diese aber ablehnte. Sie würde sich nicht für ihn verändern sowie ihre Sichtweise auf die Religion wechseln und auch nicht ihre Freunde für ihn vernachlässigen, gab sie ihm zu verstehen.
Da der Tunesier immer aufdringlicher wurde und auch aggressiv auf sie wirkte, brach sie den Kontakt zu ihm ab. Per SMS gab sie ihm zu verstehen, ihn nicht mehr treffen zu wollen. Doch Amri bedrängte die Frau weiter. Er rief sie mit mindestens vier verschiedenen Telefonnummern an und kreuzte vor ihrer Haustür auf, wo er eine Nacht lang Sturm klingelte.
Frühzeitig im Visier der Behörden
Da Amri bereits wenige Monate nach seiner Einreise nach Deutschland als islamistischer Gefährder eingestuft worden war, hatte das Berliner Landeskriminalamt im Dezember 2015 begonnen, ihn zu obervieren. Dabei wurden die Fahnder dem Bericht nach auch auf die Frau aufmerksam. Ein Beamter schrieb an seinen Kollegen: „Amri scheint eine Freundin bzw. Bekannte zu haben, die gem. Anschlußinhabereintrag zu ihrer Rufnummer in der (…) wohnt.“
Dennoch kam der Staatsschutz nicht auf die Idee, die Frau zu verhören. Und das, obwohl die Sicherheitsbehörden bereits im Februar 2016 davon ausgingen, daß Amri einen Anschlag plante und ihnen aufgefallen war, daß er mehrere Handys und Identitäten verwendete.
Zehn Monate später tötete Amri in Berlin den polnischen Fernfahrer Łukasz U., stahl dessen Laster und raste damit in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Elf weitere Tote und Dutzende Verletzte waren die Folge. (krk)