BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach dem Brexit-Votum einen harten Kurs gegenüber Großbritannien angekündigt. „Die Verhandlungen werden nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt“, mahnte Merkel in einer Regierungserklärung. Wer aus der EU austreten möchte, könne nicht erwarten, „daß alle Pflichten entfallen, die Privilegien aber bleiben“.
Sowohl die EU als auch Großbritannien hätten Rechte und Pflichten zu achten. Diese blieben so lange bestehen, bis Großbritannien aus der EU ausgetreten ist. Die übrigen EU-Staaten wollen sich bis März 2017 über den Umgang mit Großbritannien einigen, kündigte Merkel an.
Keine formellen oder informellen Gespräche
Zunächst liege es an den Briten, deutlich zu machen, wie sie den Brexit gestalten wollen. „Ich kann unseren britischen Freunden nur raten, sich nichts vorzumachen“, appellierte die Kanzlerin. Um es klipp und klar zu machen, betonte Merkel, werde es keine formellen oder informellen Gespräche mit den Briten geben, solange ihr Land nicht nach Artikel 50 des EU-Vertrags einen Antrag auf Austritt gestellt hat.
Die Bundeskanzlerin warnte vor einer Spaltung der EU, trotzdem könne der Staatenverbund den Austritt Großbritanniens verkraften. Dafür benötige er aber gemeinsame Entscheidungen aller 27 EU-Staaten. 51,9 Prozent der Briten hatten am vergangenen Donnerstag für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt.
„Keine Prämie für Europafeindlichkeit“
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verwies auf die Verantwortung des britischen Regierungschefs: „Cameron hat einen riesigen politischen Scherbenhaufen hinterlassen.“ Der Premierminister habe aus einer gespaltenen Partei ein gespaltenes Land gemacht. Mit Blick auf Merkel sagte er: „Drängen Sie im Europäischen Rat darauf, möglichst bald Entscheidungen zu treffen. Wir können eine jahrelange Hängepartie nicht gebrauchen.“ Für Großbritannien dürfe es keine Sonderbehandlung geben – „es darf keine Prämie für Europafeindlichkeit geben“.
Die Kanzlerin reist nach der Bundestagsdebatte zu einem EU-Gipfel nach Brüssel, wo die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zwei Tage lang über die Zukunft der Union beraten werden. In einem inoffiziellen neuen Format soll der Gipfel zu einem Teil ohne Großbritannien – nur mit 27 Vertretern – stattfinden. (ls)