Elf Millionen Anwender spielen in Deutschland über ihre Smart-Phones eifrigst mit der App „Quizduell“. Der Legende nach ist es von Robert Willstadt, dem Chef der schwedischen FEO Media AB, in nur einer Viertelstunde entwickelt worden. Bisher haben sich den Spaß 23 Millionen Spieler in elf verschiedenen Sprachen heruntergeladen. Werbung bzw. Marketing war nicht nötig. Ein Selbstläufer. Die Welt bezeichnete das Spiel schon als das „Wer wird Millionär der Netzwelt“. – Auch Jauchs Sendung erfreut sich ja nach wie vor höchster Beliebtheit, was nicht allein am sympathischen Moderator liegen kann.
Völlig klar, daß jene, die bildungsbürgerlich auf sich halten, das Gezocke um 25.000 Fragen aus 19 teils zweifelhaften Kategorien für völlig wertlos halten, für eines der üblichen Ratespiele, in deren Verlauf jeder mal was weiß, Punkte einheimst und in einem Ranking steigt, das ihm Stolz oder ein bißchen Angeberei ermöglicht, nicht anders, als in der Welt der Spiele überhaupt. Und im Multiple-Choice-Verfahren erringt sicher noch jeder seinen Erfolg, zumal sehr kurzweilig und schnell – eine Frage läuft 20 Sekunden – alle möglichen Gebiete thematisiert werden, von denen die ernst wissenschaftlichen nicht allzu anspruchsvoll gehalten sind und man immer wieder mit schillernden Bereichen aus Show und Entertainment konfrontiert wird, über die der Literat oder gar klassisch Gebildete meist gar nichts weiß. Übrigens darf der besonders ambitionierte Spieler eigene Fragen in Vorschlag bringen, die von einer Jury geprüft werden.
Ja, die Menschen spielen gern, und sie spielen nicht ausschließlich Schach, sondern auch „Mensch, ärgere dich nicht!“ Und Leute, die noch lesen, schmökern sich eher durch Feuchtgebiete und Vampire-Welten; statistisch gesehen greifen die wenigsten auf Thomas Mann, Robert Musil, Samuel Beckett oder auf Titel der aktuellen Short- oder Long-Lists von auszupreisenden und von den Medien bejubelten Autoren zurück, die gerade wieder den nächsten „ultimativen Roman“ vorlegen. Man sehe sich die Einschaltquoten der Fernsehprogramme an und sinne darüber nach, was den Leuten Genuß und Freude bereitet. Das Triviale, die Schnulze, der Trash haben dem Hochklassigen noch immer den Rang abgelaufen, und was Roland Kaiser und andere seines Fachs sangen, dürfte vielen als veritable Lyrik gelten, die im Sinne moderner Volkslieder weitergereicht wird. Man informiere sich in Walter Benjamins „Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben“.
Volkstümliche Gegenbewegung gegen das Zweckgebundene
Und doch: Woher rührt die Lust an dem, was sich wenigstens gegenwärtig als „Allgemeinbildung“ versteht? Jauchs Sendung lebt immerhin nicht nur vom hohen Preisgeld, sondern ebenso von der Bewunderung des Publikums gegenüber einem Kandidaten, der etwas weiß. Wenn auch auf gehobenem Jahrmarktniveau. Und das neue „Quizduell“ demokratisiert diese uralte menschliche Lust am Ich-weiß-was.
Andererseits gilt „Allgemeinbildung“ vorzugsweise an Schulen seit Jahrzehnten als antiquiert bis verpönt. Längst wurden die großen Titel der Lexika-Druckausgaben eingestellt, opulente Mehrbänder voller Wissensschätzen, die sich früher in jedem Haushalt fanden, der Wert auf sein Niveau hielt. – Längst vorbei: Die Schüler, heißt es, erschlössen sich heute alles über ihre Methoden- und vor allem Medienkompetenz, vorzugweise also via Google und Wikipedia. Wissen als solches gilt als out. Der klassische und romantische Gedanke, echte Bildung ließe sich letztlich nur zweckfrei und kontemplativ in Muße erwerben, wirkt auf Pädagogen gänzlich anachronistisch. Da doch gerade alles zweckgebunden, praxisorientiert und vor allem fixiert auf Noten, Credit-Points und allerlei zweifelhafte Zertifikate zu erfolgen habe.
Wenn jetzt über recht simpel gestrickte Apps in solcher Intensität um Wissen und Begriffe gewetteifert wird, selbst wenn ulkige Bereiche mit einbezogen werden, mag man daran doch eine sympathisch volkstümliche Gegenbewegung erkennen, auch wenn die halbbewußt und spielerisch und weitgehend anstrengungsfrei erfolgt. Ach ja, spielerisch erfolgte der Bildungserwerb durch den homo ludens immer.