BERLIN. Der Geschäftsführer des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER), Hartmut Mehdorn, hat einen Bereichsleiter fristlos entlassen, nachdem dieser öffentlich Kritik an der Baudurchführung geübt hatte. Gleichzeitig wurde bekannt, daß das Flughafenprojekt statt der zuletzt veranschlagten fünf Milliarden Euro nun mindestens acht Milliarden Euro kosten wird. Mehdorn warf dem Mitarbeiter Harald Siegle in einem Schreiben Indiskretion vor. „Wir haben den BER im Griff“, versicherte Mehdorn der Nachrichtenagentur dpa.
Der nun entlassene Architekt dagegen listete in einem Brief, aus welchem die Süddeutsche Zeitung zitiert, massive Mängel bei der Baudurchführung auf. So gebe es weiterhin weder eine klare Planungsstruktur noch eine Terminsteuerung für Teilprojekte. Auf der Baustelle herrsche ein Aktionismus vor, der ohne Abstimmung und Sachlage agiere. Mehr als 280 Bauleiter seien tätig, Baufirmen wüßten vom „Kompetenzwirrwarr beredt Zeugnis zu geben“. Auch die von Mehdorn eingeführte „Sprint-Organisation“ habe die Situation nicht verbessert.
Mehdorns „Sprint-Organisation“ versinkt im Chaos
Ganz im Gegenteil sei durch die einseitige Orientierung auf eine wie auch immer geartete Fertigstellung ohne Rücksicht auf Planung, Dokumentation und künftigen Betrieb das Unternehmensklima verschlechtert worden. Es werde meist ohne Pläne gleichzeitig auf- und rückgebaut, Entscheidungen werden ad hoc aus dem Bauch getroffen. Tatsächlich werde aber kaum gebaut. Die Stimmung sei unter Mehdorn durch „Beratungsresistenz, verstärkte Hierarchisierung, Resignation und Kritiklosigkeit gekennzeichnet“.
Offiziell wird derzeit von einer Flughafeneröffnung 2014 oder 2015 ausgegangen. Doch eine Flughafeneröffnung noch im Oktober 2016 hält Siegle für den frühestmöglichen Termin. Dieser sei allerdings nur bei massiven strukturellen Verbesserungen erreichbar, schreibt der ehemalige Immobilienverwalter des Flughafens, dem nach eigener Darstellung auch die Qualitätskontrollen zur Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Flughafengebäude oblagen. Bereits vor Siegles Entlassung wollte Mehdorn diesen Bereich auflösen und dezentralisieren.
Nur kompletter Neubeginn wäre eine Lösung
Auch drei anonym bleiben wollende Mitarbeiter des Flughafenprojekts äußern gegenüber der Bild massive Zweifel, ob der Flughafen in der bisherigen Bauweise jemals eröffnet werden könne. Aus ihrer Sicht gebe es nur zwei Szenarien, wie die Situation noch zu retten sei: zum einen die vollständige Entkernung der Gebäude, zum anderen vollständiger Abriß und Neubau. Nur so könne ein späterer Betrieb gewährleistet sein, da im bisherigen Zustand die Baudokumentation mit ihren zahlreichen Änderungen nur sehr unvollständig vorliege.
Bild zitiert Insider, die auf „waschkörbeweise unsortierte, ungenaue oder manipulierte Unterlagen oder Dateien zur Bauausführung“ hinweisen. Mehdorn dagegen solle planen, den Flughafen als Baustelle zu eröffnen. Demnach sollen einzelne Abschnitte nach und nach geschlossen, fertiggestellt und eröffnet werden. Dadurch könnten die weiter anfallenden Baukosten als laufende Betriebskosten ausgewiesen werden. Damit wäre aber nach dem Baustellenchaos auch ein Desaster im Flughafenbetrieb programmiert. (FA)
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