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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Heroischer Eskapismus

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Das Herumkritteln an neuen Medien, und darunter insbesondere Computer- wie Konsolenspielen, hat nun schon lange Tradition. Man erinnere sich nur an die grotesken Ergüsse sämtlicher deutscher „Qualitätsmedien“ zum Thema Counterstrike et al. nach dem Massenmord von Erfurt. Dem liegt natürlich eine gewisse Methode zugrunde, nämlich nicht nach den Gründen (nicht ausschließlich) jugendlicher Realitätsflucht zu fragen, sondern deren Vehikel zu verdammen.

Nun geht es also einmal wieder darum, Internet- und Spiele„sucht“ endlich formal – also über Listenaufnahme – in den Kanon der psychischen Erkrankungen einzugliedern. Dazu mag man nun stehen, wie man will; eine Gleichsetzung mit anderen Suchterkrankungen wie Glücksspielabhängigkeit und, wie in obigem Artikel vorgenommen, Alkoholismus ist jedoch mehr als hanebüchen und sollte selbst dem durchschnittlichen Welt-Leser spanisch vorkommen.

Womit hat man es denn letztendlich zu tun? Unterhaltungssoftware der neueren Generation bindet seit etlichen Jahren umfangreiche Rollenspielelemente ein: oftmals mit optionalen Enden, so daß das Verhalten des Spielers bzw. seiner selbsterstellten Figur tatsächlich ausschlaggebend für den Ausgang der jeweils erzählten Geschichte ist. Von den Anfängen in den aufwendig als „interaktive Filme“ inszenierten Spielen der späten Neunziger (ein Paradebeispiel: die Weltraumsimulationsreihe „Wing Commander“) ist man inzwischen in gigantischen Dimensionen angelangt, die innerhalb gewisser Parameter – meist anhand einer charakterlichen Fortentwicklung entlang der Gut/böse-Achse – eine verhältnismäßig freie Gestaltung der Spielwelt ermöglichen, etwa beim bislang dreiteiligen, apokalyptischen Science Fiction-Epos „Mass Effect“.

„Und hinter tausend Stäben keine Welt“

Hier wird nun, ob on- oder offline, eine Möglichkeit zur individuellen, wenngleich virtuellen Ausgestaltung der eigenen Persönlichkeit gegeben. Im Prinzip also das, was sich die Individualismusapostel jeglicher Couleur feucht erträumten. Nun aber stehen dem im schlechten Fall nicht wegzudiskutierende Einbußen in Sozialleben und (was das wichtigste sein dürfte) Arbeitsleistung entgegen, und da muß nun natürlich wieder eingeschritten werden.

„[I]st Zocken nur ein Ventil von bereits vorhandenen psychischen Problemen?“, fragt die Welt; ob nicht vielmehr eine Sublimation der Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe im eigenen Leben dahintersteht, das zwischen Büro, Couch und (vielleicht noch) Fitneßcenter keinen Raum für heroischen Realismus läßt, bleibt unbedacht. Solange die Realitäten nicht verschwimmen und ein gewisses Maß eingehalten wird (was zumindest die Medizin seit Paracelsus weiß), liegt die Bringschuld wohl eher bei der Torwächtern unserer heutigen, manchmal unerträglichen Mittelmäßigkeit des Seins.

 

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