Immer mehr drängeln sich auf dem Markt für politisch-korrektes Deutsch. So versuchen auch Sprachwissenschaftler, welche im „Gender Mainstream“ mitschwimmen und mitreden wollen, ihre Mitbewerber zu übertrumpfen. Wahrscheinlich fragen sie jeden Morgen noch vor dem Zähneputzen: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die/der politisch Korrekteste im ganzen Land?“ Doch dann kommt die Antwort: „Ihr seid das Korrekteste hier, doch es gibt da ein Getier, das ist noch viel korrekter als Ihr!“
Die Wiesbadener „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) etwa glaubte, alles richtig gemacht zu haben, als sie am 10. Januar eine Mitteilung über „Das Wort schwul“ verbreitete. Heutzutage, wo wir doch alle ein bißchen schwul sind oder es zumindest sein sollten, muß eine solche Meldung doch einschlagen. Zudem hatte sich nur zwei Tage zuvor der Fußballspieler Thomas Hitzlsperger zu seiner Neigung bekannt, worauf sich fast sämtliche Medien geradezu überschlagen hatten.
Schwul im Olymp der deutschen Sprache
Die Gelegenheit schien also gut gewählt, die Aufmerksamkeit zu nutzen und das Wort „schwul“ in den Olymp der deutschen Sprache zu heben. Die Gesellschaft verkündete staatstragend: „Wo das Wort als solches schon viel erreicht, seine Bedeutung sich wesentlich gewandelt hat, haben auch die so Bezeichneten die begründete Hoffnung einer in Zukunft ‚wertneutralen‘ Behandlung in Politik und Gesellschaft.“
Doch zwei Tage nach der GfdS meldete sich Luise Pusch, eine der Gründerväterinnen des Sprachfeminismus, zu Wort. Sie bemängelte, daß die GfdS offenbar die Lesben vergessen hatte, und ätzte: „Wie schön für die Schwulen – aber was ist mit den Wörtern lesbisch und Lesbe? Dürfen auch Lesben hoffen?“ Lesben seien wohl nur „irgendwie mitgemeint“.
„Mein Onkel ist lesbisch!“
Gegen dieses generische Schwulininum muß sich Pusch natürlich wehren. Wenn in Leipzig Männer zu Professorinnen werden, kann man auch Schwule zu Lesben machen. Daher schlägt die Sprachfeministin vor: „Und schließlich könnten wir mit Lesbe und lesbisch gelegentlich auch Schwule mitmeinen und somit das generische Femininum mal gänzlich andersrum einsetzen: ‚Meine Tante ist lesbisch, mein Onkel auch!‘“
Merke: Wer sich bei den Homosexuellengruppen anbiedern möchte, sollte nicht zum Sexisten werden. Augenscheinlich ging die Kritik Puschs nicht spurlos an der GfdS vorüber, denn nur wenig später versuchte die Gesellschaft offenkundig, die Lufthoheit über die politische Korrektheit wiederzuerringen, diesmal auf dem Feld der Anglizismen.
Anglizismen-Lobhudler im Streit
Wer so tun will, als sei er besonders locker und weltoffen, spielt die Gefahr herunter, daß die deutsche Sprache verdrängt wird. Darin hat die GfdS schon seit Jahren Übung. Daher läßt sie sich nur ungern die Butter vom Brot nehmen. Das versucht jedoch seit einigen Jahren der Berliner Anglizist Anatol Stefanowitsch, der solch klangvolle Wörter wie „Shitstorm“ zu den „Anglizismen des Jahres“ kürt, um dem „Kulturkonservativismus“ etwas entgegenzusetzen, wie er behauptet.
Seine Anglizismen-Lobpreisung erfreut sich wachsender Beliebtheit bei der Presse. Daß der Herr Professor Stefanowitsch zu den „Freundinnen und Weggefährtinnen“ (!) zählt, welche die Sprachfeministin Luise Pusch in dem Sammelband „Die Sprachwandlerin“ zu deren 70. Geburtstag würdigen, schließt den Kreis.
Die GfdS nahm sich nun vor, Stefanowitsch etwas entgegenzusetzen, und sich als die wahre Anglizismenfreundin ins Gedächtnis zu rufen. Am 28. Januar verkündete Stefanowitsch, die Nachsilbe „-gate“ sei der neue „Anglizismus des Jahres“.
Noch am selben Tag betonte die Gesellschaft in einer Pressemitteilung, Anglizismen seien zwar „Teil der deutschen Sprachwirklichkeit und werden kreativ eingesetzt“, doch das Stefanowitsch-Wort sei „ein alter Hut“. Zwischen den Zeilen konnte man die verzweifelten Fragen lesen: Was will dieser Neuling in unserem Revier? Warum sind wir nicht selbst auf diese Aktion gekommen?Wer ist der politisch Korrekteste im deutschen Sprachland? Das Rennen bleibt offen.